Das wirtschaftliche Umfeld im Geschäftsjahr 2021/22 war über weite Strecken von der COVID-19-Pandemie geprägt. Deren Auswirkungen waren noch keineswegs überwunden, als gegen Ende des Geschäftsjahres durch den russischen Angriff auf die Ukraine eine völlig neue Dynamik entstand.
Nach den durch die Pandemie bedingten, harten Lockdowns in vielen Weltregionen standen die ersten drei Quartale des Geschäftsjahres 2021/22 im Zeichen der Erholung. Eine steigende Durchimpfungsrate ermöglichte es, die Wirtschaft wieder schrittweise zu öffnen. Die daraus resultierende, kräftige Wachstumsdynamik hielt über weite Teile des Geschäftsjahres an. Gebremst wurde sie lediglich von Lieferkettenproblemen in manchen Industrien mit globalen Wertschöpfungsketten.
Im Herbst 2021 führte die neu aufgetretene Omikron-Mutation wieder zu einer massiven Zunahme an COVID-19-Infektionen. Nicht zuletzt aufgrund der erreichten Durchimpfungsrate sowie des mittlerweile vertrauten Umgangs mit den Schutzmaßnahmen verzichteten Europa und Nordamerika auf flächendeckende Lockdowns. China, wo die neue Welle erst im letzten Geschäftsquartal ankam, reagierte einmal mehr mit großflächigen Lockdowns.
Der Angriff Russlands auf die Ukraine im 4. Geschäftsquartal änderte die wirtschaftliche Dynamik fundamental. Die Stimmung trübte sich weltweit ein. Die bereits im 3. Quartal massiven Steigerungen der Energiepreise wuchsen sich infolge der Sanktionen des Westens gegen Russland zu einem regelrechten Preisschock aus.
EUROPA
Eine durchwegs günstige Wirtschaftsentwicklung über die ersten drei Quartale des Geschäftsjahres 2021/22 prägte das Umfeld in Europa. Neben staatlichen Stützungsmaßnahmen wirkte sich insbesondere zu Beginn des Geschäftsjahres die hohe, vom privaten Konsum getragene Binnennachfrage positiv aus. Im weiteren Verlauf, insbesondere nach dem Sommer 2021, machten sich in einzelnen Sektoren Engpässe bei der Versorgung mit Vormaterialien bemerkbar. Gravierend davon betroffen war die Automobilindustrie, wo der Mangel an Halbleitern ab dem 2. Quartal verstärkt zu Verschiebungen in der Produktion führte. Zusätzlich bremsten ab dem 3. Geschäftsquartal die wieder sprunghaft angestiegenen Infektionsraten mit COVID-19 die konjunkturelle Entwicklung. Rasant gestiegene Energiepreise führten nicht nur zu einem deutlichen Anstieg der Inflation, sie erschwerten auch Exporte nach Asien und Nordamerika, wo die Energiepreise deutlich niedriger waren.
Im letzten Geschäftsquartal überlagerten die Auswirkungen des Einmarsches russischer Truppen in die Ukraine die wirtschaftlichen Erholungstendenzen, die sich mit dem Wegfall der meisten COVID-19-Restriktionen eingestellt hatten.
Der Ukraine-Krieg hat zu einer deutlichen Verschlechterung der Wirtschaftslage in Europa geführt. Der weitere, extreme Anstieg der Energiepreise hat die Inflation befeuert und teilweise Produktionsrücknahmen in der europäischen Industrie nach sich gezogen. Zur deutlichen Stimmungseintrübung auf Seiten der Konsumenten kamen Rückgänge im Handel, stark gestiegene Transportkosten sowie neuerliche Unterbrechungen der Lieferketten.
Gemessen an diesem Umfeld nahmen die voestalpine-Standorte in Europa im Geschäftsjahr 2021/22 eine sehr solide Entwicklung. Eine etwas schwächere Auslastung wiesen Produktionsbetriebe mit starker Ausrichtung auf die Automobilindustrie auf. Ein stabiles Produktionsniveau hielten jene voestalpine-Gesellschaften, die Produkte und Services für die Eisenbahninfrastruktur bereitstellen. Die von der Pandemie massiv betroffene Luftfahrtindustrie erholte sich stetig und legte gegen Ende der Berichtsperiode noch einmal an Dynamik zu. Die Geschäftsbereiche, die Produkte in die Öl- und Gasindustrie liefern, konnten im Verlauf des Geschäftsjahres von den gestiegenen Energiepreisen profitieren. Im wirtschaftlichen Gesamtbild des Geschäftsjahres schlug sich der gegen Ende des 4. Geschäftsquartals ausgebrochene Ukraine-Krieg kaum mehr negativ nieder. Der Schock der Energiepreisseite war im letzten Monat der Berichtsperiode dagegen sehr wohl noch wirksam.
Nordamerika/USA
Ähnlich wie in Europa zeigte sich das Wirtschaftswachstum in Nordamerika zu Beginn des Geschäftsjahres hochgradig dynamisch, um dann über den Sommer etwas abzuflauen. Wie schon in der vergangenen Saison hat im Winter eine Welle von neuen COVID-19-Erkrankungen die wirtschaftlichen Aktivitäten gegen Ende des 3. Quartals spürbar gehemmt. Die Omikron-Welle verlief in Nordamerika tendenziell etwas kürzer als in Europa. Somit wirkte der private Konsum weiter stützend auf das Wirtschaftswachstum, was auch den umfangreichen Ersparnissen und damit einhergehenden Haushaltsvermögen auf hohem Niveau geschuldet ist.
Der stark gestiegenen Inflation standen robuste Lohnsteigerungen bei historisch hohem Beschäftigungsgrad gegenüber. Der Anstieg der Energiepreise bildete sich auch in Nordamerika ab, war aber mit dem Preisschock in Europa keineswegs vergleichbar. Mit Blick auf die wachsende Inflation hat die US-Notenbank (Fed; Federal Reserve) im Gegensatz zur Europäischen Zentralbank (EZB) angekündigt, ihre expansive Geldpolitik zurückzufahren und in weiterer Folge die Zinsen anzuheben. Die dämpfenden Auswirkungen auf die wirtschaftliche Stimmung wurden umgehend spürbar.
In der Industrie machten sich zunehmend auch in Nordamerika Schwierigkeiten in Branchen mit globalen Wertschöpfungsketten bemerkbar. Der Außenhandel litt im letzten Geschäftsquartal ebenfalls unter der Verlangsamung der Wirtschaft in Europa infolge des Ukraine-Krieges. Letztendlich wurde im 4. Geschäftsquartal eine überraschend starke Reduktion des wirtschaftlichen Wachstums ausgewiesen.
Die voestalpine-Standorte in der Region nutzten das insgesamt positive wirtschaftliche Umfeld in Nordamerika über das Geschäftsjahr 2021/22 für eine sehr zufriedenstellende Entwicklung. Darüber hinaus profitierten die Exporte der europäischen voestalpine-Niederlassungen von Erholungstendenzen im amerikanischen Öl- und Gassektor sowie in der Flugzeugindustrie.
Südamerika/Brasilien
Die zu Beginn des Geschäftsjahres 2021/22 noch sehr ausgeprägte wirtschaftliche Dynamik in Brasilien flachte im weiteren Verlauf ab. Hohe Inflationsraten, resultierend aus Verteuerungen bei Rohstoffen und in der Folge auch bei Nahrungsmitteln, wirkten dämpfend auf den privaten Konsum. Die metallverarbeitende Industrie entwickelte sich in diesem Umfeld jedoch unverändert robust. Der Ukraine-Krieg mit den verbundenen Sanktionen gegen Russland führte im letzten Geschäftsquartal zu einem weiteren Anstieg der Rohstoffpreise. Davon sollte Brasilien als einer der führenden Rohstoffexporteure weltweit tendenziell profitieren, was einen stützenden Effekt auf die Binnenkonjunktur erwarten lässt.
Die brasilianischen voestalpine-Standorte konnten sich in diesem Umfeld durchaus gut behaupten. Neben der Ausrichtung auf robuste Marktsegmente vor Ort war dafür auch eine gute Entwicklung der Exporte ausschlaggebend.
Asien/China
Deutlicher als in den anderen großen Volkswirtschaften hat sich das Wachstum in China während des Geschäftsjahres 2021/22 verlangsamt. Stützten im Vorjahr noch staatliche Konjunkturmaßnahmen auf breiter Front die wirtschaftliche Entwicklung, fuhr der Staat im Berichtsjahr die Stimulus-Maßnahmen sukzessive zurück. Daneben spitzte sich nach Problemen von Evergrande über den Sommer die Situation am Immobilienmarkt zu, wodurch sich das Investitionsklima eintrübte. Für den chinesischen Stahlbau schwächten sich mit dem Infrastruktur- und Immobiliensektor die beiden bedeutendsten Kundensegmente ab.
In der Folge und auf Druck der Behörden aus Gründen des Umweltschutzes entwickelte sich die Rohstahlproduktion der chinesischen Stahlindustrie erstmals seit vielen Jahren ab Mitte des Geschäftsjahres rückläufig.
Energieknappheit und daraus resultierende temporäre Stromabschaltungen belasteten die Wirtschaftsentwicklung nach dem Sommer 2021 zusätzlich. Erst zu Beginn des 4. Geschäftsquartals zog die wirtschaftliche Dynamik wieder spürbar an, ehe sie durch die Ausbreitung der Omikron-Variante neuerlich zum Erliegen kam. Im Sinne ihrer bisherigen COVID-19-Politik reagierten die chinesischen Behörden mit strikten Mobilitätsbeschränkungen in vielen Regionen und mit einem umfangreichen Lockdown in Shanghai. Neben dem rückläufigen privaten Konsum war auch die produzierende Industrie betroffen. Daraus bauten sich neuerliche Schwierigkeiten in den Lieferketten auf. Der Ukraine-Krieg wiederum erbrachte in der Berichtsperiode noch keine negativen Auswirkungen auf die Wirtschaftsentwicklung Chinas.
Die voestalpine-Standorte in China hielten ihren wirtschaftlichen Erfolg ungeachtet der teils widrigen Bedingungen auf gutem Niveau. Mit Ausnahme des Geschäftsfeldes Eisenbahninfrastruktur ist der Fokus der voestalpine-Gesellschaften in China vorwiegend auf konsumnahe Märkte wie die Automobil- und Konsumgüterindustrie gerichtet.