Marktumfeld und Geschäftsverlauf

      Ganz im Zeichen der Erholung von den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie stand die Entwicklung des europäischen Stahlmarktes im 1. Halbjahr des Geschäftsjahres 2021/22. Zeitweise überstieg die starke Nachfrage das Angebot, und erst im 3. Geschäftsquartal 2021/22 stellte sich am Markt wieder annähernd eine Balance ein. Zu diesem Zeitpunkt waren die Anlagen der meisten Stahlhersteller wieder im Vollbetrieb. Dazu schwächte sich nach dem Sommer 2021 die Stahlnachfrage aus der Automobilindustrie ab, die wegen fehlender Elektronikbauteile die Produktion bei vollen Auftragsbüchern drosseln musste.

      Im letzten Geschäftsquartal führte der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine zu Verwerfungen am europäischen Stahlmarkt. Die rasch in Kraft gesetzten Sanktionen Europas gegen Stahlprodukte aus Russland und Weißrussland hatten die Verknappung von verfügbarem Material am europäischen Stahlmarkt zur Folge. Die bis dahin schon massiv gestiegenen Energiepreise erfuhren durch den Krieg und die teilweise Abhängigkeit Europas von russischem Gas einen zusätzlichen Schub, womit auch die Kostenbasis der europäischen Stahlhersteller deutlich anstieg.

      In diesem Umfeld entwickelten sich die wesent­lichen Märkte der Steel Division sehr positiv.

      Die Automobilindustrie verzeichnete im Geschäftsjahr 2021/22 eine sehr gute Nachfrage, konnte diese aber aufgrund von Lieferengpässen der Halbleiterindustrie in der Betrachtung über das gesamte Geschäftsjahr nicht vollumfänglich bedienen. Gerade als sich zu Beginn des 4. Geschäftsquartals 2021/22 eine Entspannung der Situation abzeichnete, brachte der Ausbruch des Krieges in der Ukraine neue Probleme in der Liefer­kette. Betroffen waren vorrangig in der Ukraine produzierte Kabelbäume. Für die Steel Division bedeutete dies speziell im 3. Geschäftsquartal eine etwas erhöhte Volatilität bei den Material­abrufen sowie eine insgesamt leicht verringerte Nachfrage nach Stahlprodukten aus der Automobilindustrie. Ein aktives Umlenken der Lieferströme in alternative Kundensegmente federte die Auswirkungen jedoch im Wesentlichen ab.

      Die Konsumgüter- und Hausgeräteindustrie verzeichnete über das gesamte Geschäftsjahr eine stabil hohe Nachfrage. Vereinzelt kam es auch in diesem Segment temporär zu Schwierigkeiten bei der Versorgung mit Elektronikbauteilen. Anders als in der Automobilindustrie führte dies aber zu keinem Rückgang der Nachfrage nach Stahlprodukten der Steel Division.

      Im Maschinenbausektor war das gesamte Geschäftsjahr von einer guten Nachfrage, insbesondere nach hochwertigen Stahlgüten, geprägt.

      Die Bauindustrie profitierte das gesamte Geschäftsjahr über von einer sehr soliden Nachfrage. Erst gegen Ende des Geschäftsjahres machte die enorme Volatilität bei den europäischen Stahlpreisen die Planung von Bauprojekten schwierig.

      Der Energiebereich als wesentlicher Markt für das Segment Grobblech entwickelte sich aufgrund der Preisanstiege bei Öl und Gas über den gesamten Verlauf des Geschäftsjahres positiv, wobei große Projekte noch auf ihre Vergabe warten. Aufgrund der signifikanten Marktanteile von russischem und ukrainischem Importmaterial am europäischen Grobblechmarkt führte der Ukraine-Krieg zu einer signifikanten Verknappung des Angebots und generell zu starken Preisanstiegen bei Grobblechen.

      Während die Stahlmärkte in Europa und in Nordamerika über das gesamte Geschäftsjahr eine sehr dynamische Erholung aus der COVID-19-Pandemie vollzogen, verringerte sich in China ab dem 2. Geschäftsquartal die Stahlproduktion spürbar.

      Mitverantwortlich dafür war neben dem Auslaufen von konjunkturstimulierenden Maßnahmen die nachlassende Dynamik am Immobiliensektor. Dazu kamen behördlich angeordnete Rücknahmen der Produktion aus Gründen des Umweltschutzes im ganzen Land, insbesondere im Zuge der Olympischen Winterspiele in Peking im 4. Geschäftsquartal.

      Da China weltweit die mit Abstand höchsten Kapazitäten in der Stahlproduktion betreibt, wirkte sich diese Entwicklung unmittelbar auf den globalen Markt für Eisenerz aus. Nach dem steilen Preisanstieg im 1. Halbjahr fiel der Preis für Eisenerz von den Höchstständen im Sommer 2021 bis zum Ende des 3. Geschäftsquartals um mehr als die Hälfte, um im 4. Geschäftsquartal wieder deutlich anzuziehen.

      Im Gegensatz dazu war der Preisanstieg für metallurgische Kohle nur von einer kurzen Konsolidierungsphase gegen Ende des 3. Geschäfts­quartals unterbrochen und erreichte gegen Ende des Geschäftsjahres ein historisch hohes Niveau. Diese Entwicklung hatte ihren Ursprung in der Energieknappheit in China, die zu generellen Preisanstiegen bei Kohle führte, und wurde durch den Ukraine-Krieg weiter befeuert, indem russische Kohle mit Sanktionen belegt wurde.

      Aufgrund der spezifischen Zukaufstruktur sowie des logistisch bedingten Zeitversatzes ergaben sich für die Steel Division über den Verlauf des Geschäftsjahres 2021/22 durchwegs anstei­gende Rohstoffkosten. Ab dem 3. Geschäftsquartal kamen zu den extrem hohen Rohstoffkosten noch sprunghafte Anstiege bei den Energiekosten für Strom und Gas hinzu, die sich im Zuge des Ukraine-Krieges im letzten Geschäftsquartal weiter drastisch erhöhten.

      Der Stahlpreis am Spotmarkt entwickelte sich 2021/22 entsprechend der Marktdynamik und der deutlich gestiegenen Kostenbasis der europäischen Stahlhersteller unterjährig volatil, aber über das Geschäftsjahr 2021/22 insgesamt deutlich ansteigend. Der Aufwärtstrend, der bereits 2020/21 eingesetzt hatte, fand nach dem Sommer 2021 seinen Höhepunkt, ehe bis zum Beginn des Ukraine-Krieges die Tendenz rückläufig war. Zum Ende des Berichtsjahres erreichte der Spotmarktpreis in der Folge sprunghaft neue Höchststände, was auf das verknappte Angebot von Stahl am europäischen Markt zurückzuführen war.

      Die Steel Division verkauft ihre Stahlprodukte über Kontrakte mit unterschiedlichen Laufzeiten ausschließlich direkt an ihre Kunden. Dementsprechend entwickelten sich die Verkaufspreise vergleichsweise weniger volatil. Nichtsdestotrotz konnte die Steel Division im Schnitt die Anstiege bei den Rohstoff- und Energiekosten an den Markt weitergeben.

      Die operative Entwicklung der Direktreduktionsanlage in Texas, USA, verlief über das gesamte Geschäftsjahr 2021/22 aufgrund der guten Stahlkonjunktur in Nordamerika positiv. Lediglich im 3. Geschäftsquartal wurden aufgrund eines geplanten Wartungsstillstandes geringere Mengen produziert. Gegen Ende des Geschäftsjahres führte der Ukraine-Krieg zu einem starken Anstieg der HBI-Preise, weil sowohl HBI als auch Roheisen aus Russland und der Ukraine nicht mehr am Markt verfügbar waren.

      Nach einem etwa einjährigen Prozess der Aus­arbeitung von strategischen Optionen für die Direktreduktionsanlage in Texas, USA, hat die voest­alpine am 14. April 2022 eine Vereinba­rung über den Verkauf von 80 % der Anteile an ArcelorMittal unterzeichnet. Das Closing dieser Transaktion wird in den nächsten drei Monaten erwartet.

      Volatilität
      Intensität der Kursschwankungen von Aktien und Devisen bzw. der Preisänderungen von Massengütern im Vergleich zur Marktentwicklung.