Bereits von Beginn an prägte eine Verlangsamung der wirtschaftlichen Dynamik das Geschäftsjahr 2019/20. Die Ursprünge wie Handelskonflikte und Brexit zeigten sich bereits im vorangegangenen Geschäftsjahr. Nach einer über weite Strecken sehr herausfordernden Entwicklung machte sich eine Entspannung der Lage erst im letzten Geschäftsquartal bemerkbar. Die ab dem Jahreswechsel deutlich zunehmende Dynamik fand mit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie ein abruptes Ende. Mit bisherigen Abschwüngen war die wirtschaftliche Entwicklung in den letzten Wochen des Geschäftsjahres 2019/20 nicht vergleichbar. Die ökonomische Vollbremsung war nicht marktwirtschaftlich bestimmt, sondern dem gesundheitlichen Schutz der Bevölkerung geschuldet. Weltweit und selbst innerhalb Europas wurden die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus regional durchaus unterschiedlich gehandhabt. Einheitlich waren die Folgen: eine massive Einschränkung des Konsums, in weiterer Folge starke Produktionskürzungen und in manchen Branchen ein kompletter Stopp der Produktion.
Diese Entwicklung betraf auch den voestalpine-Konzern in allen Regionen. In den Auswirkungen auf das operative Ergebnis wird im Berichtsjahr 2019/20 erst ein geringerer Teil der Belastungen sichtbar, die aus der COVID-19-Krise noch zu erwarten sind.
Europa
Die wirtschaftliche Entwicklung in Europa vor Ausbruch der Pandemie zeigte sich über den Verlauf der ersten drei Quartale des Geschäftsjahres 2019/20 zweigeteilt. Während der Konsum sowie die Servicesektoren von der guten Beschäftigungslage, steigenden Haushaltseinkommen und niedrigen Zinsen profitierten und eine positive Dynamik aufwiesen, war die produzierende Industrie von einer schwachen Entwicklung geprägt. Die traditionell exportorientierte europäische Industrie litt neben der Abschwächung der globalen Konjunktur insbesondere unter den internationalen Handelskonflikten, die Investitionen in Europa bremsten. Dazu kam die Reduktion der Automobilproduktion, unter der vor allem die wirtschaftliche Performance Deutschlands litt. Diese Entwicklung spitzte sich gegen Ende des Kalenderjahres noch zu, als in vielen Branchen Lager abgebaut wurden. Erst nach Jahreswechsel, zu Beginn des 4. Geschäftsquartals 2019/20, zeigte sich eine spürbare Belebung. Sie wurde aber gegen Ende des Quartals jäh durch den Beginn der COVID-19-Pandemie in Europa gestoppt.
Die in Europa bereits vor Ausbruch von COVID-19 schwache Entwicklung der produzierenden Industrie stellte die voestalpine, die rund zwei Drittel ihres Umsatzes in Europa generiert, vor beträchtliche Herausforderungen. Insbesondere die Abschwächung im Automobilsektor belastete die Ergebnisentwicklung. Auf der anderen Seite profitierte der Konzern von positiven Impulsen in den Bereichen Eisenbahninfrastruktur und Luftfahrt bis ins 4. Geschäftsquartal 2019/20.
Mit Ausbruch von COVID-19 wurde in Europa das öffentliche Leben in unterschiedlicher Geschwindigkeit und unterschiedlichem Ausmaß eingeschränkt. Die Folgen für Konsum und Produktion waren weitreichend. Der voestalpine-Konzern reagierte auf die verringerte Nachfrage bereits gegen Ende des Geschäftsjahres 2019/20 mit Drosselungen der Produktion in wesentlichen Kernaggregaten. Zudem wurden weite Teile der Belegschaft zu den unterschiedlichen Kurzarbeitsmodellen europäischer Staaten angemeldet.
Nordamerika/USA
Der Wachstumstrend in den USA hielt auch über den größten Teil des Geschäftsjahres 2019/20 an. Insbesondere der Servicesektor sowie der private Konsum profitierten von der steigenden Kaufkraft vor dem Hintergrund des prosperierenden Arbeitsmarktes, steigender Haushaltseinkommen und niedriger Zinsen. Nach zufriedenstellender Performance noch zu Beginn des Geschäftsjahres begann der Produktionssektor im weiteren Verlauf unter dem eskalierenden Handelskonflikt mit China und der schwächer werdenden Weltkonjunktur zunehmend zu leiden. Die Investitionen ließen spürbar nach. Erst die Unterzeichnung des Phase 1 Trade Deals mit China verlieh der Wirtschaftsentwicklung gegen Ende des 3. Geschäftsquartals etwas an Dynamik, die zu Beginn des 4. Quartals weiter zulegen konnte. Gegen Ende des Geschäftsjahres 2019/20 erreichte die COVID-19-Pandemie auch Nordamerika. Nach vorerst zögerlichen Reaktionen der Regierung in Washington erreichte die Ausbreitung des Virus insbesondere in New York schnell ein Ausmaß, das wie in den restlichen Regionen der Welt eine weitgehende Stilllegung des öffentlichen Lebens unumgänglich machte.
Damit stoppte die COVID-19-Pandemie den längsten ökonomischen Aufwärtstrend in der Geschichte der Vereinigten Staaten mit dem stärksten Wirtschaftseinbruch seit dem Zweiten Weltkrieg.
In Summe konnte der voestalpine-Konzern über weite Strecken des Geschäftsjahres 2019/20 von der wirtschaftlichen Dynamik in Nordamerika profitieren. Insbesondere die Luftfahrtindustrie zeichnete sich bis ins 3. Quartal 2019/20 durch eine starke Nachfrage aus. Der Sektor Eisenbahninfrastruktur verlangsamte sich zwar über den Verlauf des Geschäftsjahres, verzeichnete jedoch ein insgesamt ansprechendes Niveau. Anders die Öl- und Gasindustrie, die sich für die voestalpine über das gesamte Geschäftsjahr als herausfordernd darstellte. Maßgeblich dafür waren neben der rückläufigen Entwicklung der Exploration insbesondere die Schutzzölle (Section 232). Dazu kam eine deutliche Verschärfung der Situation gegen Ende des Geschäftsjahres 2019/20 unabhängig vom Ausbruch der COVID-19-Pandemie, auf die der voestalpine-Konzern auch in Nordamerika rasch reagiert hat: Umfassende Maßnahmen stellten die Anpassung der Produktion an die reduzierte Nachfrage sowie ein stringentes Kostenmanagement sicher.
Südamerika/Brasilien
Die gesamtwirtschaftlich geringe Dynamik in Brasilien, dem für den voestalpine-Konzern relevantesten Markt am südamerikanischen Kontinent, setzte sich auch im Geschäftsjahr 2019/20 fort.
Neben landesweit schwachen Investitionen trugen dazu maßgeblich schwächere Exporte von Eisenerz bei, einem nach wie vor signifikanten Faktor des brasilianischen Bruttoinlandsprodukts. Infolge eines fatalen Dammbruches zu Beginn des Kalenderjahres 2019 wurden mehrere Abbaubetriebe von den Behörden aus Sicherheitsgründen gesperrt und erst im Verlauf des Geschäftsjahres sukzessive wieder in Betrieb genommen.
Nachdem über die Sommermonate das Wirtschaftswachstum praktisch zum Erliegen kam, setzte ab dem 3. Geschäftsquartal eine Aufwärtsbewegung ein, die neben dem erstarkten Konsum auch aus gestiegenen Investitionen resultierte. Dieser Trend wurde durch die exportfördernde Abwertung der brasilianischen Landeswährung Real im 4. Geschäftsquartal noch verstärkt.
Obwohl gegen Ende des Geschäftsjahres auch Brasilien von der weltweiten COVID-19-Pandemie erfasst wurde, war die Reaktion von Regierungsseite eher lax. Somit wurden die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie im aktuellen Berichtszeitraum nur eingeschränkt sichtbar. Allerdings ist durch unzureichende Krisenpolitik mit Folgeeffekten und umso stärkeren Verwerfungen in den kommenden Monaten zu rechnen.
Insgesamt konnten die brasilianischen Standorte des voestalpine-Konzerns in diesem Wirtschaftsumfeld eine sehr solide Entwicklung vorweisen.
China
Chinas langjähriges Wachstum bremste sich im Geschäftsjahr 2019/20 zunehmend unter dem Handelskonflikt insbesondere mit den USA ein. Neben der direkten Folge gesunkener Exporte verlangsamte sich auch der inländische Konsum. Der chinesische Automobilmarkt verzeichnete einen regelrechten Einbruch. Die chinesische Zentralregierung antwortete darauf mit staatlichen Konjunkturförderungsmaßnahmen, die sich insbesondere im Bereich Bau und Infrastruktur positiv auswirkten. In der Folge wurde die Rohstahlproduktion in China und damit die Nachfrage nach Eisenerz am Weltmarkt auf ein Rekordniveau getrieben. Angesichts der dominanten Rolle Chinas bei der weltweiten Stahlerzeugung resultierte daraus ein globaler Anstieg der Preise für Eisenerz.
Bis ins 3. Geschäftsquartal 2019/20 konnte der voestalpine-Konzern in diesem Umfeld vor allem im Bereich Eisenbahninfrastruktur profitieren. Das Produktsegment Werkzeugstähle hingegen litt unter der schwachen Entwicklung der Konsumgüter- und der Automobilindustrie.
Im Bestreben, die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie unter Kontrolle zu halten, reduzierte China das öffentliche Leben auf ein Minimum. Damit kam zu Beginn des 4. Geschäftsquartals 2019/20 auch bei allen voestalpine-Standorten in China die Produktion zum Stillstand. Die wirtschaftliche Folge dieses Lockdowns ist ein starker Einbruch des bisherigen Wachstumstrends. Im März 2020 begann China bereits in koordinierter Weise, die Wirtschaft wieder hochzufahren. Auch die voestalpine-Standorte in China liefen zu Ende des Geschäftsjahres wieder nahezu auf Normalbetrieb.
In Summe erwies sich das wirtschaftliche Umfeld im Geschäftsjahr 2019/20 für den voestalpine-Konzern als eines der herausforderndsten der letzten Jahre.
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