Waren bereits in der 2. Hälfte des Geschäftsjahres 2018/19 konjunkturelle Eintrübungen am europäischen Stahlmarkt erkennbar gewesen, so verschärfte sich die Situation 2019/20 zusehends. Die insgesamt hochgradig herausfordernde Entwicklung gipfelte zu Ende des Geschäftsjahres in den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie.
Schon zu Beginn des Geschäftsjahres kühlte die Nachfrage nach Stahlprodukten in Europa merkbar ab. Zurückzuführen war das im Wesentlichen auf eine Verlangsamung der Nachfrage aus den Bereichen Automobil und Maschinenbau, aber auch aus dem Segment für Hausgeräte und Konsumgüter. Einzig der Bausektor erwies sich als anhaltend robust.
Diesem Rückgang der Nachfrage stand eine signifikante Ausweitung der Stahlimporte nach Europa gegenüber. Diese waren letztlich das Resultat aus einem Umlenkeffekt der Warenströme, nachdem die USA ihre Märkte durch die Einführung pauschaler Schutzzölle (Section 232) vom Rest der Welt praktisch abgeschottet haben. Der europäische Versuch, den eigenen (Stahl-)Markt vor der vorhersehbaren Entwicklung zu schützen („Safeguard Measures“), erwies sich als wenig wirkungsvoll. Die unweigerliche Folge war ein Rückgang der Stahlpreise in Europa. Anders als in der Vergangenheit sanken damit aber nicht die Preise für die wesentlichen Rohstoffe der Stahlerzeugung.
Mit China erwies sich der bei Weitem größte Stahlproduzent der Welt wieder als maßgeblicher Einflussfaktor für die Entwicklung der weltweiten Rohstoffpreise. Zur Belebung der eigenen Konjunktur wurde ein Investitionsprogramm in den Bereichen Infrastruktur, Bau und Immobilien aufgelegt, was die chinesische Rohstahlproduktion zu neuen Höhen führte. In der Folge stieg damit auch die Nachfrage nach Eisenerz auf Rekordniveau. Aufgrund eines fatalen Dammbruchs in Brasilien war das Angebot an Eisenerz in dieser Phase aber bereits verknappt, was den Anstieg der Preise noch weiter befeuerte.
Diese Kombination aus sinkender Nachfrage, hohen Importen und sinkenden Stahlpreisen bei massiv gestiegenen Rohstoffkosten führte in der europäischen Stahlindustrie zu einem Einbruch der Ergebnisse auf breiter Front. Dank langfristiger Kundenpartnerschaften konnte die im Qualitätssegment angesiedelte Steel Division den Druck auf der Preisseite partiell abfedern. Letztlich schlugen jedoch die auf dem Weltmarkt stark gestiegenen Rohstoffpreise, vor allem bei Eisenerz, voll durch.
Am Absatzmarkt verlangsamte sich die Nachfrage über den Verlauf des Kalenderjahres 2019 spürbar. Gegen Ende des Jahres verlegten sich viele Kundenbranchen auf den Abbau ihrer Lager, insbesondere die Automobilindustrie nach der deutlichen Drosselung ihrer Produktion. Während der Automotive-Sektor mit Beginn des neuen Kalenderjahres beziehungsweise im 4. Geschäftsquartal 2019/20 deutliche Erholungsimpulse zeigte, blieb die Nachfrage von Seiten des Maschinenbaus eher verhalten. Tendenzen zur Belebung machten sich zu Beginn des letzten Geschäftsquartals auch in der Hausgeräte- und Konsumgüterindustrie bemerkbar. Eine solide Entwicklung über den gesamten Verlauf des Geschäftsjahres 2019/20 wies die Bauindustrie auf.
Die Nachfrage aus der Öl- und Gasindustrie hingegen zeigte über das gesamte Geschäftsjahr nur wenige Impulse. Die wenigen im Markt befindlichen Pipelineprojekte waren aufgrund der geringen Auslastung der Grobblechwerke preislich stark umkämpft. Als hilfreich erwies sich die Fokussierung der voestalpine auf das Qualitätssegment wie plattierte Bleche als technologisch anspruchsvolle Komponenten im Pipelinebau: Damit bewahrte die Steel Division einen gewissen Bewegungsspielraum unter dem Druck der schwierigen Marktbedingungen.
Gerade als die Erholung in den meisten Kundensegmenten zu spürbar gesteigerter Nachfrage nach Stahlprodukten geführt hatte, lähmte gegen Ende des 4. Geschäftsquartals die COVID-19-Pandemie den Markt.
Insbesondere die Automobilindustrie stellte Mitte März 2020 die Produktion nahezu komplett ein. Es wurden keine neuen Aufträge bei Lieferanten platziert, ebenso keine Lieferungen mehr angenommen. Die übrigen Kundensegmente reagierten zwar weniger radikal, drosselten aber ebenso die Produktion in bisher ungekanntem Ausmaß.
Als Konsequenz auf den stark reduzierten Auftragseingang musste die Produktion am Standort Linz, Österreich, angepasst und ein kleiner Hochofen außer Betrieb genommen werden. Eine derartige Maßnahme war seit dem Börsengang 1995 erst ein einziges Mal erforderlich gewesen: 2009 infolge der globalen Finanzkrise nach dem Zusammenbruch der amerikanischen Investmentbank Lehman.
Insgesamt durchwachsen stellte sich die Situation im Geschäftsjahr 2019/20 für die Entwicklung der Direktreduktionsanlage in Corpus Christi, Texas, USA, dar. Während die Produktion im gesamten Geschäftsjahr durchgehend stabil verlief, verschlechterte sich das Marktumfeld zusehends. Insbesondere die massive Verteuerung von Eisenerz bei gleichzeitig rückläufigen Stahlpreisen in Nordamerika brachte den Markt für HBI (Hot Briquetted Iron) unter Druck.
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