Während der Beginn des Geschäftsjahres 2018/19 noch von der auslaufenden Hochkonjunktur der vergangenen Jahre geprägt war, kam es im weiteren Jahresverlauf zu einer zunehmenden Eintrübung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Dies vor allem vor dem Hintergrund des eskalierenden Handelsstreits zwischen den USA und China, aber auch anderen Regionen einschließlich Europas. In der Europäischen Union wirkten sich die auf britischer Seite unkoordinierten „Brexit“-Verhandlungen sowie im wichtigen Wirtschaftszweig Automobilindustrie die Einführung eines neuen Abgasemissionstests (WLTP) zusätzlich belastend auf die Wirtschaftsentwicklung aus. Spätestens mit Beginn der 2. Hälfte des Geschäftsjahres war damit absehbar, dass der breite konjunkturelle Aufwärtstrend der jüngsten Vergangenheit auf sein Ende zusteuert.
Europa
Die europäische Wirtschaft startete in das Jahr 2018 noch mit anhaltendem Wachstum, wenngleich schon da die hohe Dynamik von 2017 nicht mehr fortgesetzt werden konnte. Während zu Beginn des Geschäftsjahres die Rhetorik von US-Präsident Donald Trump über eine Änderung der Handelsbeziehungen der USA zum Rest der Welt die europäische Konjunktur noch wenig beeindruckte, begann sich über Sommer 2018 die Stimmung (nicht nur in Europa) doch deutlich einzutrüben. Insbesondere die Einführung von Schutzzöllen im Namen der nationalen Sicherheit der USA („Section 232“) auf Stahl und Aluminium – der dann zusätzliche Restriktionen in anderen Wirtschaftsbereichen folgten – veränderte nicht nur die globalen Handelsströme, sondern auch die politischen Beziehungen der großen Volkswirtschaften zueinander.
Dazu löste die Einführung eines neuen Abgasemissionstests (WLTP) im September 2018 unerwartet starke Verwerfungen in der – insbesondere deutschen – Automobilindustrie aus, was aufgrund der Größe und Signifikanz dieser Industrie gegen Ende des Kalenderjahres eine generelle Eintrübung des wirtschaftlichen Sentiments in Europa beschleunigte. Infolge der im Jahresverlauf weiter eskalierenden handelspolitischen Spannungen insbesondere zwischen den USA und China begannen auch die europäischen Exporte auf zunehmend breiterer Front nachzulassen. Nicht nur auf die politische, sondern auch die ökonomische Stimmung in der EU zusätzlich negativ wirkten sich im Jahresverlauf zunehmend die geradezu chaotisch anmutenden Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens aus der Gemeinschaft aus.
In diesem von Quartal zu Quartal herausfordernder werdenden wirtschaftlichen Umfeld verlief die Gesamtentwicklung der voestalpine im Heimmarkt Europa sowohl zeitlich als auch unter Branchenaspekten uneinheitlich. Während zu Beginn des Geschäftsjahres vor allem die Aktivitäten im Automobilbereich noch boomten und auch die übrigen Marktsegmente überwiegend durch eine solide Nachfrage geprägt waren, kam es nach dem Sommer in den meisten Branchen zu einer rasch fortschreitenden Nachfrageeintrübung. Nicht zuletzt durch die WLTP-Testumstellungen am stärksten davon betroffen war der Automobilsektor, wogegen es im Werkzeugstahlbereich vor allem aufgrund der Umlenkung der internationalen Handelsströme im Gefolge der globalen Zollauseinandersetzungen zu starkem Preisdruck in Europa kam. Lediglich die Luftfahrtindustrie und der Bausektor blieben in der EU im vergangenen Geschäftsjahr von Eintrübungstendenzen verschont.
Nordamerika
Der längste Wirtschaftsaufschwung in der Geschichte der USA hielt auch im Geschäftsjahr 2018/19 weiter an, wenngleich sich die Stimmung im Land einerseits aufgrund des langen „Government Shutdown“ über den Jahreswechsel von 2018 auf 2019 und andererseits infolge der Verlangsamung der globalen Konjunktur – vor allem ausgelöst durch den Handelsstreit zwischen den USA und China – nicht mehr so euphorisch darstellte wie in den Jahren davor. Eine Normalisierung der Finanzierungskonditionen mit steigenden Zinsen führte gegen Ende des Geschäftsjahres überdies zu einer Invertierung der Zinskurve und damit zu steigenden Rezessionsängsten im Land. In Summe bot das Geschäftsjahr 2018/19 in den USA jedoch ein anhaltend solides ökonomisches Umfeld, von dem der voestalpine-Konzern insbesondere in den Sektoren Luftfahrt und Lagertechnik sowie zunehmend auch im Bereich Eisenbahninfrastruktur profitieren konnte. In der amerikanischen Automobilkonjunktur kam es 2018/19 tendenziell zu einer Seitwärtsbewegung, aber auf nach wie vor hohem Niveau. Auch die US-Öl- und Gasindustrie war in diesem Zeitraum trotz des schwankenden Ölpreises von einer insgesamt guten Nachfrage geprägt, von der die voestalpine allerdings bedingt durch die Einführung von Schutzzöllen („Section 232“) vor allem unter Margenaspekten nur eingeschränkt profitieren konnte.
Die wirtschaftliche Entwicklung in Kanada und Mexiko war im Geschäftsjahr 2018/19 insbesondere durch die einseitige Aufkündigung des NAFTA-Vertrages (North American Free Trade Agreement) durch die USA und die im Gefolge begonnenen Zolldiskussionen geprägt. Während Kanada dennoch ein relativ stabiles wirtschaftliches Umfeld mit dort auch entsprechend performenden voestalpine-Standorten bot, fand in Mexiko zu Beginn des Jahres 2019 ein Regierungswechsel statt, der die wirtschaftliche Dynamik hemmte. Die für die mexikanischen voestalpine-Standorte wichtige Automobilindustrie war davon aber vergleichsweise wenig betroffen.
Südamerika
In Brasilien führte die positive Stimmung nach dem Ende einer mehrjährigen Rezessionsphase im abgelaufenen Geschäftsjahr vorerst zu einem moderaten wirtschaftlichen Aufwärtstrend. Neben innerbrasilianischen Faktoren wie einem beinahe ein ganzes Jahr lang dauernden Präsidentschaftswahlkampf war vor allem die Abschottung der USA als einer der wichtigsten Exportmärkte der brasilianischen Wirtschaft ein dämpfender Faktor für einen breiteren Aufschwung, genauso wie die sich eintrübende Weltkonjunktur. Steigende Zinsen in den USA sowie die Aufwertung des US-Dollars verschlechterten zudem die Finanzierungskonditionen Brasiliens.
Der gesamte südamerikanische Kontinent war darüber hinaus auch im Geschäftsjahr 2018/19 durch die fortdauernde kritische Entwicklung Venezuelas, aber auch Argentiniens und Kolumbiens belastet.
In diesem insgesamt zwar positiven, aber den hohen Erwartungen zu Jahresbeginn nicht gerecht gewordenen wirtschaftlichem Umfeld entwickelten sich die Aktivitäten des voestalpine-Konzerns sowohl im Sektor Werkzeugstahl und Sonderwerkstoffe als auch in den Bereichen Eisenbahninfrastruktur und Spezialprofile deutlich besser als zunächst angenommen.
Asien / China
Bereits zu Beginn des Geschäftsjahres 2018/19 war die Entwicklung Chinas von Unsicherheiten geprägt, die sich nicht zuletzt darin manifestierten, dass die Wirtschaft nach den traditionellen chinesischen Neujahrsfeiern länger als erwartet brauchte, um wieder in Schwung zu kommen. Dennoch konnte die Dynamik im Anschluss deutlich zulegen, bevor über den Sommer 2018 die Spannungen im Handelsstreit mit den USA eskalierten und sich das Sentiment neuerlich einzutrüben begann. Die chinesische Zentralregierung reagierte darauf mit Zinssenkungen und wirtschaftsbelebenden Maßnahmenpaketen, traditionell vorwiegend im Bereich Infrastruktur. Während sich zwar die Stimmung in der Folge wieder verbesserte, begann die Realwirtschaft verstärkt unter dem Handelskonflikt mit den USA zu leiden. Neben den dadurch signifikant rückläufigen Exporten wirkte sich auch eine zunehmende Verunsicherung der chinesischen Konsumenten mit entsprechender Kaufzurückhaltung belastend auf die Konjunkturdynamik aus.
In diesem Umfeld verschlechterte sich die chinesische Nachfrage nach Werkzeugstählen des voestalpine-Konzerns als Ausdruck einer schwächeren Entwicklung sowohl in der Konsumgüterindustrie als vor allem auch in der Automobilindustrie im Verlauf des Geschäftsjahres deutlich. Der Automobilsektor verzeichnete nach bereits schwachem Beginn des Geschäftsjahres nach dem Sommer einen regelrechten Einbruch. Die chinesischen Automobilkomponentenfertigungen des voestalpine-Konzerns waren von diesem Rückgang bislang vergleichsweise wenig betroffen, da sie praktisch ausschließlich europäische Automobilproduzenten in China beliefern, die sich dem breiten Abwärtstrend im vergangenen Geschäftsjahr noch vergleichsweise erfolgreich entziehen konnten.
Im Bereich der Eisenbahninfrastruktur profitierte die voestalpine von den neu aufgelegten Infrastrukturprojekten und verzeichnete damit im Verlauf des Geschäftsjahres deutlich steigende Auftragseingänge.
Geschäftsverlauf der Divisionen
Steel Division
Die Geschäftsentwicklung der Steel Division war im Geschäftsjahr 2018/19 ambivalenten Entwicklungen ausgesetzt. Während das junge nordamerikanische Direktreduktionswerk in Corpus Christi, Texas, USA, in einem sehr ansprechenden Marktumfeld das technische Feintuning vorantrieb, konnte das Hauptwerk in Linz, Österreich, aufgrund eines umfangreichen, technisch bedingten Instandhaltungsstillstandes nicht seine volle Kapazität nutzen.
Die Division stand im Geschäftsjahr 2018/19 ganz im Zeichen der seit Langem geplanten umfassenden Erneuerung („Zustellung“) des größten Hochofens am Standort Linz, welche im Wesentlichen über das gesamte 2. Geschäftsquartal stattfand und im Frühherbst 2018 erfolgreich beendet wurde. Der dadurch bedingte Verlust an Produktionsmenge wurde über weite Strecken sowohl durch Vorproduktion als auch durch Zukauf von Halbfertigprodukten (Brammen) kompensiert, jedoch zu im Vergleich zu eigenerzeugtem Material höheren Kosten mit entsprechenden Ergebnisauswirkungen.
Marktseitig fand die Division zu Beginn des Geschäftsjahres eine nahtlos an die Vorperioden anschließende, hervorragende Nachfrage nach hochqualitativen Stahlprodukten vor, die sich im Laufe des Geschäftsjahres aber zunehmend eintrübte. Insbesondere die Verwerfungen in der Automobilindustrie infolge eines neuen Abgasemissionstestverfahrens (WLTP) führten in der 2. Hälfte des Geschäftsjahres zu volatilen Auftragseingängen auf insgesamt reduziertem Niveau. Mit Ausnahme der Maschinenbau- und der Bauindustrie zeigten auch die übrigen für die Steel Division wesentlichen Marktsegmente in diesem Zeitraum eine Abschwächung der Nachfrage.
Die Abschottungspolitik der USA, die ihren ersten Höhepunkt in der Inkraftsetzung von Schutzzöllen auf Stahl und Aluminium zur Wahrung der nationalen Sicherheit („Section 232“) fand, führte im Laufe des Geschäftsjahres zu Umlenkungseffekten der globalen Warenströme mit entsprechend gestiegenen Stahlimporten in Europa. Die von der Europäischen Union als Antwort ergriffenen Maßnahmen (Importquoten unter dem Titel „Safeguard Measures“) griffen – und greifen nach wie vor – bei Weitem zu kurz, um den europäischen Stahlmarkt zumindest einigermaßen im Gleichgewicht zu halten.
In dieser Phase rückläufiger Nachfrage und wachsender Importe stieg der Preis für Eisenerz, dem wichtigsten Rohstoff für die Stahlproduktion, stark an. Hintergrund dieser Entwicklung war eine ungebremst hohe Nachfrage aus China bei gleichzeitig angebotsseitig reduzierten Eisenerzmengen am Weltmarkt vor allem infolge eines massiven technischen Gebrechens an einem Damm in einem brasilianischen Minenbetrieb.
Diese Kombination von sinkender Nachfrage, hohen Importen und gestiegenen Rohstoffpreisen führte gegen Ende des Geschäftsjahres in der Division zu zunehmendem Ergebnisdruck.
Darüber hinaus musste im 2. Halbjahr 2018/19 aufgrund möglicher nachteiliger Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns im Zusammenhang mit einem laufenden Ermittlungsverfahren des deutschen Bundeskartellamts gegen mehrere Stahlproduzenten eine Rückstellung wegen des Verdachts kartellrechtswidriger Absprachen in der Vergangenheit im Bereich Grobblech gebildet werden.
High Performance Metals Division
Die international am breitesten aufgestellte Division des voestalpine-Konzerns konnte zwar von einer anhaltend positiven wirtschaftlichen Entwicklung in Nordamerika und Brasilien profitieren, war jedoch gleichzeitig besonders stark von den Veränderungen in den globalen Handelsströmen – insbesondere im Gefolge des sich über das Geschäftsjahr aufbauenden Handelskonfliktes zwischen China und den USA – betroffen.
Während das Marktumfeld auf globaler Ebene zu Beginn des Geschäftsjahres noch von alles in allem solider Nachfrage in den meisten Kundenbranchen der Division geprägt war, zeichnete sich schon im Verlauf der 1. Jahreshälfte eine breite Verunsicherung der Kunden in China infolge des Handelskonfliktes mit den USA ab, die sich in weiterer Folge noch verstärkte und in den Branchen Automobil- und Konsumgüterindustrie zu einer immer deutlicheren Kaufzurückhaltung insbesondere bei Werkzeugstählen führte.
Auch am europäischen Werkzeugstahlmarkt machte sich die zunehmend protektionistische Handelspolitik einer immer größeren Anzahl von Volkwirtschaften bemerkbar. Dies führte bei einzelnen Qualitätskategorien zu einem wachsenden Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage und in der Folge zu kontinuierlich steigendem Preisdruck.
Von diesen Entwicklungen weitgehend unbeeindruckt stellte sich die Nachfrage nach hochlegierten Sonderwerkstoffen in den Segmenten Luftfahrt sowie Öl- und Gasexploration stabil positiv dar.
Metal Engineering Division
Der Geschäftsverlauf der Metal Engineering Division stellte sich im Geschäftsjahr 2018/19 nach Segmenten unterschiedlich dar. Während in der Eisenbahninfrastruktur in den meisten Regionen der Welt der Weichenbereich von einer guten Nachfragesituation geprägt war – so insbesondere in China durch Implementierung neuer Konjunkturprogramme –, stellte sich die Nachfrage im Schienenbereich zwar solide, jedoch von der Dynamik her nicht ausreichend stark dar, um auf der Preisseite die gestiegenen Rohstoffkosten in voller Höhe an den Markt weitergeben zu können. Das Produktsegment Wire Technology, das überwiegend in die Automobilindustrie geht, war nach dem Sommer 2018 massiv vom Absatzeinbruch im Zuge der Umstellung des Abgasemissionstestverfahrens (WLTP) betroffen und damit nach einem ausgezeichneten 1. Quartal 2018/19 vor allem in der 2. Geschäftsjahreshälfte mit volatiler und deutlich reduzierter Nachfrage konfrontiert.
In der Öl- und Gasindustrie zeigte sich trotz volatilem Ölpreis eine vergleichsweise stabile Nachfrage nach Nahtlosrohren für die Exploration, von der das Produktsegment Tubulars vom Volumen her profitieren konnte. Allerdings spiegelt sich dieses mengenmäßig positive Marktumfeld aufgrund der implementierten Zölle zum Schutz der nationalen Sicherheit („Section 232“) durch die USA in den Ergebnissen des Geschäftsjahres nicht wider. Das Produktsegment Welding Consumables zeigte nicht zuletzt aufgrund von forcierten Kostensenkungs- und Effizienzsteigerungsprogrammen trotz anhaltend herausfordernder Marktsituation eine solide Entwicklung.
Metal Forming Division
In der Metal Forming Division war die Entwicklung im Geschäftsjahr 2018/19 in den beiden kleineren Geschäftsbereichen Precision Strip sowie Warehouse & Rack Solutions von einer nach wie vor sehr erfreulichen Performance gekennzeichnet, wohingegen die Hauptumsatzträger Tubes & Sections sowie Automotive Components durch eine nachlassende Marktdynamik gekennzeichnet waren. Insbesondere der Automobilsektor, für nahezu die Hälfte des in der Division generierten Umsatzes verantwortlich, zeigte in Europa im Gefolge der Einführung des neuen Abgasemissionstests (WLTP) im September 2018 starke Verwerfungen. Auch ohne Testumstellung kam es in China in der 2. Geschäftsjahreshälfte zu einem Rückgang des Automobilabsatzes, von dem die von der Metal Forming Division vor Ort belieferten europäischen Premiumproduzenten aber vergleichsweise wenig betroffen waren und ihren Absatz überwiegend sogar weiter steigern konnten. In Nordamerika entwickelte sich der Automobilmarkt im Geschäftsjahr 2018/19 alles in allem stabil auf anhaltend hohem Niveau.
Beim größten Automobilkomponentenwerk der Division in Nordamerika am Standort Cartersville, Georgia, USA, kam es im Zuge der Inbetriebnahme neuer Anlagen zu stark erhöhten Anlaufkosten aufgrund von Schwierigkeiten in den Produktions- und Logistikprozessen. Die Verlagerung von Aufträgen machte zudem die Bildung von Vorsorgen notwendig. Durch diese Sondereffekte war das Ergebnis der Metal Forming Division im Geschäftsjahr 2018/19 deutlich negativ beeinflusst.
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