Die Führungsrolle im Hinblick auf Innovation, Technologie und Qualität bildet ein Kernelement der voestalpine-Unternehmensstrategie. Daraus leiten sich Forschung & Entwicklung (F&E) als Teil des voestalpine-Geschäftsmodells ab. Die kontinuierliche Entwicklung neuer Produkte und Produktionsprozesse ist für ein technologiegetriebenes Unternehmen notwendig, um sich im Wettbewerb abzuheben und am Markt weiterhin erfolgreich zu sein. Es sind Innovationen, die den künftigen Erfolg der voestalpine sichern.
Aufwendungen
Die Ausgaben für Forschung stiegen in den letzten Jahren kontinuierlich an. Lediglich im Geschäftsjahr 2020/21 ist aufgrund des Ausbruchs der COVID-19-Pandemie und der damit verbundenen Maßnahmen wie beispielsweise Kurzarbeit der Wert etwas geringer. Jedoch konnte bereits für das Geschäftsjahr 2021/22 mit einem Budgetwert von 185 Mio. EUR wieder an den mehrjährigen steigenden Trend angeschlossen werden, was den hohen Stellenwert von F&E im Konzern dokumentiert.
Forschungs- und Entwicklungsprojekte zur Reduktion von CO2
Die aktuelle Produktionsroute zur Stahlerzeugung via Hochofen wurde seit 1990 laufend im Hinblick auf Ressourceneffizienz und Emissionen optimiert. Die CO2-Emissionen konnten dadurch um rund 20 % gesenkt werden. Damit gehören die Aggregate des voestalpine-Konzerns zu den CO2-effizientesten der Welt. Auf dieser Stufe sind die Potenziale zur CO2-Einsparung in der Stahlherstellung sehr weit ausgeschöpft. Um die EU-Vorgaben weiterer signifikanter Reduktionen zu erfüllen, ist aus heutiger Sicht der Einsatz neuer Technologien in der Produktion notwendig.
Die voestalpine hat dafür eine Strategie zur direkten Vermeidung von CO2-Emissionen in der Stahlproduktion bis 2030 auf Basis eines Hybridkonzepts „greentec steel“ entwickelt. Dieses Konzept beinhaltet einen schrittweisen Umstieg von der Hochofen- auf die Elektrolichtbogentechnologie und längerfristig bis 2050 eine CO2-neutrale Produktion auf Basis von grünem Wasserstoff.
Weiters umfasst „greentec steel“ Elektrolichtbogentechnologie als Schmelzaggregate. Das zugrunde liegende Anlagenkonzept stellt große Herausforderungen an die Metallurgie. Legierungs- und Werkstoffkonzepte müssen angepasst werden, um trotz der unerwünschten Begleitelemente durch den Schrotteinsatz weiterhin Stahl von solch hoher Güte produzieren zu können, wie Kunden dies von der voestalpine erwarten. Dazu wurden bereits F&E-Projekte gestartet.
In Vorbereitung für die längerfristigen wasserstoffbasierten Technologien wurde das EU-geförderte Projekt „H2FUTURE“ mit den Partnern VERBUND, Siemens, Austrian Power Grid, K1-MET und TNO gestartet. Am Werksgelände der voestalpine in Linz, Österreich, wurde die derzeit in der Stahlindustrie weltgrößte PEM-Elektrolyseanlage (proton exchange membrane) errichtet, um grünen Wasserstoff im industriellen Maßstab zu erzeugen. Seit der Inbetriebnahme hat die 6-Megawatt-Anlage die geplanten Versuchsprogramme erfolgreich absolviert.
Neben „H2FUTURE“ gibt es noch weitere zukunftsweisende voestalpine-Projekte, die auf Wasserstoff als Schlüsseltechnologie auf dem Weg zu einer CO2-neutralen Stahlerzeugung setzen. Am Standort Donawitz, Österreich, wurde im Rahmen des Grundlagenprojekts „SuSteel“ (Sustainable Steelmaking) in Kooperation mit K1-MET und der Montanuniversität Leoben eine Versuchsanlage in Betrieb genommen, in der Rohstahl mittels Wasserstoffplasmas direkt aus Eisenerz in einem einzigen Schritt ohne Roheisenstufe erzeugt wird.
Ebenfalls in Donawitz läuft das Forschungsprojekt „Hyfor“ in Kooperation mit Primetals Technologies, der Montanuniversität Leoben, Österreich, und K1-MET. Im Fokus steht die wasserstoffbasierte Direktreduktion von Eisenerz zur Herstellung hochreinen Eisenschwamms als Einsatzmaterial zur Stahlherstellung.
Technologien zur Pyrolyse von Erdgas evaluiert die voestalpine in Kooperation mit RAG Austria und der Montanuniversität Leoben. Dabei entstehen Wasserstoff und fester Kohlenstoff. Somit wäre eine CO2-neutrale Gewinnung des Wasserstoffs möglich, wobei der anfallende Kohlenstoff gleichzeitig als wertvoller industrieller Rohstoff gilt.
Digitalisierung, Smart Data und Virtual Reality
Das breite Produktportfolio der Metal Engineering Division reicht von verschleißbeständigen Schienenstählen über hochreine Kugellagerstähle bis zu Federstählen der Güte „super-clean“. Dafür ist hochqualitatives Vormaterial notwendig. Die Abteilung Forschung & Entwicklung liefert mit ihrem umfangreichen metallurgischen Know-how die Basis für Produkte mit herausragenden Qualitäten.
Die Digitalisierung im Sinne kompletter Automatisierung erlaubt die exakte Einstellung von Prozessparametern, welche die Reinheit und Homogenität des produzierten Stahlvormaterials beeinflussen. Auf dieser Basis können sehr reine Stähle mit optimalen Oberflächeneigenschaften erzeugt werden. Inkludiert ist dabei der Einsatz von numerischen Modellen an der eben in Betrieb genommenen Bloom-Stranggießanlage.
Die im Konzern verfügbare kombinierte Werkstoff- und Verarbeitungskompetenz wird im neuen voestalpine Welding Calculator um numerische Berechnungen erweitert, die exakte Schweißparameter liefern. Das ermöglicht eine vereinfachte Planung und Optimierung komplexer Schweißprozesse.
Werkstoffe der Zukunft, Digitale Produkte und Additive Manufacturing
Kunden aus der Automobilindustrie bringen laufend neue hoch- und höchstfeste Stähle zur Zulassung. Der damit ermöglichte Leichtbau im Bereich der Autokarosserie resultiert in geringeren Emissionen beim Betrieb mit Verbrennungskraftmotoren bzw. größeren Reichweiten bei elektrischen Antrieben.
Zur Bearbeitung höchstfester Stähle werden hochqualitative Werkzeugstähle weiter entwickelt. Diese erlauben überdies wesentlich günstigere Standzeiten der Werkzeuge und eine Verringerung des Produktionsausschusses.
Digitale Produkte vereinen den Werkstoff Stahl mit zusätzlichen Funktionalitäten und eröffnen damit ein breites Einsatzspektrum. Das Konzept des sogenannten „tailormade functional steel“ (tfs) wurde erfolgreich fertig entwickelt. Dabei werden in eine spezielle Lackschicht elektrische Leiterbahnen und die jeweils gewünschte elektronische Sensorik integriert. Das Bauteil ist umform- und weiter verarbeitbar. Die Anwendungsgebiete sind vielfältig. So können beispielsweise Oberflächen beheizt, das Beladungsgewicht von Regalen angezeigt oder der Füllstand in einem Tank gemessen werden. „tfs“ lässt sich sowohl direkt als Bedienelement einsetzen wie auch als integriertes Bauteil mit Monitoringfunktionen und ermöglicht eine vorausschauende Wartung.
Auslastung und Belastung des Schienennetzes sind hoch und werden in Zukunft noch steigen. Damit gewinnt die digitale Überwachung der Infrastruktur im Bahnverkehr immer stärker an Bedeutung. Überwachungs- und Diagnosesysteme von rollendem Material (Zügen), ortsfesten Anlagen und Umweltbedingungen erlauben es, veränderte Zustände rechtzeitig zu erkennen und die Wartung vorausschauend zu gestalten. Daraus resultieren erhöhte Sicherheit und Verfügbarkeit im Bahnverkehr. Bereits entwickelt hat die voestalpine das Monitoringsystem „PHOENIX MDS“: Dabei werden die von verschiedenen Sensoren erfassten Daten ausgewertet, um Stehzeiten, Verzögerungen und Ausfälle von Zügen weiter zu minimieren. Dieses Projekt wurde in Zusammenarbeit mit der ÖBB Infrastruktur AG gestartet. Mit dem geplanten Abschluss im Jahr 2023 wird das österreichische Schienennetz über das ausgereifteste Zug-Monitoringsystem Europas verfügen.
Die ebenso innovative wie ressourcenschonende Technologie der additiven Fertigung (3D-Druck) ist optimal für die Herstellung komplexer Geometrien ohne Materialverlust geeignet. Sie wird beispielsweise für hochkomplexe Temperier- und Leichtbaulösungen sowie im Werkzeugbau für die Automobil- und Konsumgüterindustrie, aber auch für Anwendungen in der Medizintechnik eingesetzt. In den weltweit sieben Additive Manufacturing-Zentren des voestalpine-Konzerns werden aktuell mit 15 3D-Druckanlagen technisch anspruchsvolle Spezialanfertigungen produziert. Das Metallpulver von höchster Qualität, das als Vormaterial für den 3D-Druck zum Einsatz kommt, wird innerhalb des Konzerns an den Standorten in Kapfenberg (voestalpine BÖHLER Edelstahl GmbH & Co KG), Österreich, und in Hagfors (Uddeholms AB), Schweden, hergestellt. Bauteilkonstruktion und Bauteilsimulation werden ebenfalls von der voestalpine nach Kundenbedarf bzw. in Zusammenarbeit mit dem Kunden erstellt.
Für die Weiterentwicklung von Ideen und neuen Geschäftsmodellen wurde der sogenannte „new business incubator“ (nbi) eingerichtet. Er dient der raschen und erfolgreichen Umsetzung innovativer Ideen außerhalb des Kerngeschäftes der voestalpine.