HBI
Die Anlage, die Eisenerzpellets mittels Erdgas in hochreines Vormaterial für Premium-Stahlgüter umwandelt, ist trotz fortschrittlichster Technologie eine Schwerindustrieanlage, für deren Bau komplexe und langwierige Umweltverträglichkeitsprüfungen mit mehreren Öffentlichkeitsbeteiligungen notwendig waren. Es ist für die voestalpine selbstverständlich, bei einem Vorhaben dieser Größe die Stakeholder von Anfang an mit einzubinden: Die unmittelbare Nähe zu exklusiven Wohngegenden und fragilen Ökosystemen sowie das Engagement von professionell organisierten und durchaus industriekritischen Umweltschutz-NGOs erforderte insbesondere aufgrund des engen Projektzeitplans eine umfangreiche Stakeholder-Strategie. Erschwerend kam hinzu, dass bei Bevölkerung und Behörden die Marke „voestalpine“ bis dato nicht bekannt und der Begriff „Stahlindustrie“ durch geistige Bilder von rauchenden Schloten und Kohlenstaub negativ besetzt war.
Stakeholdergruppen
Die voestalpine beschritt mit der Auswahl des zwei Quadratkilometer großen Baulandes – lokal als „La Quinta“ bezeichnet – geografisches sowie in Bezug auf die lokale Bevölkerung als eher unbekanntes Unternehmen Neuland. Um einen reibungslosen Ablauf der UVP-Verfahren sicherstellen zu können, mussten zunächst die relevanten externen Stakeholder identifiziert und bewertet werden. Rasch stellte sich heraus, dass eine enge Einbindung der staatlichen und bundesstaatlichen Umweltbehörden sowie ein proaktives Herantreten an die industriekritischen Umweltschutz-NGOs und Nachbarn erfolgsentscheidend sein würde. Flankierend würde es notwendig sein, lokale Schlüsselpersonen aus Politik, Wirtschaft, Bildung und Kunst durch proaktive und offene Kommunikation zu gewinnen und zu Botschaftern der Marke „voestalpine“ und des Projekts zu machen. Überregional musste die politische Unterstützung des Bundesstaats Texas sichergestellt werden, um eine pragmatische Lösungsfindung bei etwaigen bürokratischen Herausforderungen sicherzustellen. Da ein Teil der Bescheide auf Bundesebene ausgestellt werden würde, mussten bis nach Washington D.C. Kontakte zumindest auf Senatoren- und Ministerebene geknüpft werden.
Zieldefinition
Die Kommunikationsziele des Greenfield- Projekts definierten sich wie folgt:
- Verankerung der Marke „voestalpine“ in Texas
- Schaffung von Akzeptanz für das Schwerindustrieprojekt in der Bevölkerung
- Aufbau eines effizienten Beziehungsnetzwerks
- Vermeidung von Einsprüchen und Negativkommentaren während der UVP-Einspruchsfristen durch strategische Stakeholder- und Umweltkommunikation
- Schaffung eines friktionsfreien Projektumfeldes während der Bauzeit
- Positionierung von voestalpine als attraktiver Arbeitgeber und Umwelt-Benchmark
Strategie
Zusätzlich zur Anwendung von Umweltschutzmaßnahmen nach dem letzten Stand der Technik entschied sich die voestalpine, die Ziele mittels einer umfassenden „Grassroots“-Strategie, kombiniert mit einem parallel laufenden Beziehungsmanagement für Schlüsselpersonen und Behörden, zu verfolgen. Als Grundsatz wurde zunächst festgelegt, dass die Kommunikation proaktiv, offen und persönlich zu erfolgen hat. Da Anrainer und Umwelt-NGOs durch Einsprüche den UVP-Prozess massiv verzögern können, sollte zunächst eine lokale und regionale Projektinformationskampagne lanciert werden, mit der zuerst das Bild der Stahlindustrie korrigiert, die voestalpine als Umwelt-Benchmark positioniert und schließlich das Projekt erläutert werden sollte.
Dies sollte hauptsächlich über persönliche Kontakte und Gespräche stattfinden, da so gleichzeitig ein wertvolles Beziehungsnetzwerk aufgebaut werden konnte. Parallel dazu wurden die Umweltschutz-NGOs proaktiv informiert und eingeladen, am Design-Prozess der Anlage teilzunehmen. Mit dieser „Open Book“-Strategie wurde Vertrauen geschaffen, die NGOs wurden enger an das Projekt gebunden und es konnte wertvolles Feedback gesammelt werden. Flankierend wurden Stakeholder aus Politik, Wirtschaft, Bildung und Kultur eng in das Projekt eingebunden und als Botschafter bzw. Multiplikatoren gewonnen.
Umsetzung
Die voestalpine entschied sich, sämtliche Kommunikationsagenden inhouse wahrzunehmen und eine „One Face to the Public“-Strategie anzuwenden. Zu diesem Zweck wurde zunächst die Position des Kommunikationsverantwortlichen mit der des Umweltverantwortlichen zusammengelegt – ein für die Industrie und die USA sehr ungewöhnlicher Schritt. Die Position wurde dann mit einem österreichischen voestalpine-Mitarbeiter besetzt, der sich als „Gesicht“ und Botschafter der voestalpine und der österreichischen Kultur in Texas etablierte. Die Umsetzung der Kampagne erfolgte vor allem über persönliche Gespräche, Diskussionen und Präsentationen. Dabei waren Vorträge im Großauditorium ebenso an der Tagesordnung wie Hausbesuche und Dialoge mit Anrainern. Begleitet wurden diese Maßnahmen durch eine institutionalisierte Pressearbeit sowie ein Sponsorship-Programm mit Gemeinden, Bildungs- und Kultureinrichtungen. Das wertvolle Feedback der NGOs fand schließlich Berücksichtigung im Werksdesign.
Zielerreichung
Die gewählte Strategie war für US-Verhältnisse ungewöhnlich, da die lokale Schwerindustrie Kontakte zu Umwelt-NGOs und offene Kommunikation mit Anrainern oft meidet. Nachdem die Bevölkerung und die NGOs eine gewisse Grundskepsis überwunden hatten, konnten die Gespräche starten. Der Mut zur offenen Kommunikation und die Dialogbereitschaft zeigten Früchte: Am 14. Juni 2014 erhielt die voestalpine den letzten positiven Umweltbescheid und schrieb damit ein Stück Geschichte. Bisher war es nämlich noch keinem schwerindustriellen Greenfield-Projekt dieser Größenordnung in der Region gelungen, ohne Klagen und Einsprüche und somit in Mindestzeit ein UVP-Verfahren abzuschließen.
Vor drei Jahren noch unbekannt, gilt die voestalpine heute in Texas nicht nur als Umwelt-Benchmark, sondern auch als begehrter Arbeitgeber. Die guten Beziehungen der voestalpine reichen mittlerweile vom Schildkrötenschutzverein bis ins Weiße Haus: Präsident Obama und Vizepräsident Biden haben beide öffentlich das Projekt lobend erwähnt. Durch offene Kommunikation und Engagement konnte sich die voestalpine in den USA gut etablieren.
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