Rohstoffe

      Hatte in den Kalenderjahren 2020 und 2021 noch die COVID-19-Pandemie die Produktion, die Logistik und damit die Preise von Rohstoffen bestimmt, beeinflusste 2022 der Ukraine-Krieg massiv die Entwicklung der Rohstoffversorgung und der Preise für Energie. Insbesondere der Kriegsbeginn im Februar 2022 löste einen Preisschock aus. Mit der Ukraine und Russland sind zwei bedeutende Lieferant:innen von Eisenerz, metallurgischer Kohle und Legierungen in den Krieg verwickelt. Verhängte Sanktionen und freiwillige Boykotte beschränkten den Zugang zu russischen Rohstoffen. Auf ukrainischer Seite reduzierten okkupierte oder teilweise zerstörte Lagerstätten neben erschwert passierbaren Logistikrouten das Angebot. Nicht nur die Verknappung führte zu einem Preisauftrieb bei Rohstoffen, sondern auch der Aufbau von höheren Beständen angesichts der generell unsicheren Situation und einer aus den Fugen geratenen Transportlogistik. Vor diesem Hintergrund setzten sich die volatilen Marktbedingungen für essenzielle Rohstoffe in der Stahlerzeugung im Geschäftsjahr 2022/23 fort. Das Rohstoffmanagement der voestalpine war in dieser Situation gefordert, die Sicherheit der Produktion zu gewährleisten. Dazu mussten zum Teil alternative Bezugsquellen und Transportwege erschlossen sowie die Vorräte bei Eisenerz, metallurgischer Kohle und Legierungen vorrübergehend aufgestockt werden. Massive Verwerfungen brachte der Ukraine-Krieg auch auf der Energieseite: Aufgrund der starken Abhängigkeit Europas von Russland in der Versorgung ist der Preis für Erdgas in weiten Teilen des Kontinents rasch und dramatisch angestiegen. Damit verteuerte sich in diesen Regionen auch der Strompreis in bisher nicht gekanntem Ausmaß.

      Eisenerz

      Eisenerz bildet den wichtigsten Rohstoff für die Erzeugung von Rohstahl über die Hochofenroute. Im Sommer 2021 erreichte der Preis ein Rekordniveau von 220 USD je Tonne, fiel in den folgenden Monaten jedoch um fast 60 % auf etwa 90 USD je Tonne (62 % Fe, CFR China). Mit Anfang des Kalenderjahres 2022 stieg der Preis neuerlich als Konsequenz widriger Wetterbedingungen in Brasilien sowie des Ausbruchs des Ukraine-Krieges. Am Beginn des Geschäftsjahres notierte Eisenerz bei etwa 150 USD je Tonne. Die weltweite Stahlproduktion und damit die Nachfrage nach Eisenerz schwächte sich jedoch 2022 tendenziell ab, womit das Preisniveau bis Anfang November sukzessive auf knapp über 80 USD je Tonne sank. Als stabilisierender Faktor erwiesen sich optimistischere Konjunkturprognosen für die Weltwirtschaft im Herbst 2022 und insbesondere verbesserte Wachstumsaussichten für die chinesische Stahlindustrie. In der Folge bewegte sich der Preis für Eisenerz bis zum Ende des Geschäftsjahres 2022/23 in einer Bandbreite von 90 USD bis 130 USD je Tonne. Da die Ukraine für die voestalpine eine etablierte und bedeutende Bezugsquelle bei Eisenerzpellets darstellt, setzte die Rohstoffbeschaffung im Konzern mit Ausbruch des Ukraine-Krieges auf eine stärkere Diversifizierung im Einkauf und eine Ausweitung des Kontingents an Lieferant:innen. Ungeachtet der widrigen Umstände im Abbau wie im Transport konnte jedoch über das gesamte Geschäftsjahr ukrainisches Eisenerz beschafft werden. Angesichts verstärkter Unsicherheit und logistischer Herausforderungen hat die voestalpine ihre Lagerreichweite bei Eisenerz vor allem in der ersten Phase nach Kriegsausbruch markant erhöht. 

      Kokskohle

      Kokskohle stellt einen weiteren wesentlichen Primärrohstoff für die Herstellung von Rohstahl im Rahmen des Verhüttungsprozesses dar. Sie bildet die Basis für die Produktion von metallurgischem Koks, der im Hochofen als Energiequelle, aber auch als Reduktionsmittel eingesetzt wird, indem er dem Eisenerz Sauerstoff entzieht. Lag das Preisniveau bei Kokskohle bereits in den Monaten vor Ausbruch des Ukraine-Krieges auf sehr hohem Niveau, trieb der Angriff Russlands auf die Ukraine in Kombination mit heftigen Regenfällen an der Ostküste Australiens den Preis für Kokskohle an den Spotmärkten (HCC Premium, FOB Australien) auf ein Rekordniveau von 660 USD je Tonne. Über den Verlauf des Geschäftsjahres 2022/23 näherte sich der Preis für Kokskohle am Spotmarkt wieder dem Normalniveau und bewegte sich ab dem 2. Quartal in einer Bandbreite von etwa 200 bis 300 USD je Tonne. Der Preisrückgang spiegelte Befürchtungen, dass die Weltwirtschaft auf eine Rezession zusteuern könnte. Erst im 4. Geschäftsquartal gingen die Preise für Kokskohle wieder deutlich über die Marke von 300 USD je Tonne. Die Trendumkehr ist auf den wiedererstarkten Optimismus unter den Marktteilnehmer:innen zurückzuführen, die in dieser Phase nicht mehr von einer tiefen Rezession in den USA und Europa ausgingen. Im Unterschied zu Eisenerz kommt China als weltgrößtem Stahlproduzenten für die Preisbildung von Kokskohle am Spotmarkt keine derart entscheidende Rolle zu: Das Land setzt vorwiegend auf heimische Bezugsquellen bzw. auf Importe aus dem Nachbarland Mongolei. Mit Beginn des Krieges in der Ukraine hat die voestalpine die Importe von pulverisierter Kohle (PCI) aus Russland auf bestehende sowie neue Lieferant:innen umgeleitet und insgesamt die Vorräte bei Kokskohle erhöht. 

      Stahlschrott

      Hochqualitativer Schrott dient als wertvoller Rohstoff, indem er in der hochofenbasierten Stahlerzeugung ergänzend zu Roheisen eingesetzt wird bzw. bei der Stahlproduktion mittels Elektrolichtbogenöfen die Hauptrohstoffbasis bildet. Ein wesentlicher Teil des benötigten Schrottvolumens fällt während der Stahlherstellung selbst an und wird als Kreislaufschrott dem Produktionsprozess wieder zugeführt. Auch bei der Stahlverarbeitung wie etwa bei Stanzprozessen in der Automobilindustrie fallen große Mengen an Stahlschrott an. Als sogenannter Rücklaufschrott stellt er einen hochwertigen Rohstoff in der Stahlerzeugung dar. Mit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges war auch die Preisentwicklung bei Stahlschrott anfänglich von Befürchtungen einer Unterversorgung geprägt. Ausgehend von einem sehr hohen Niveau auf etwa 660 USD je Tonne (CFR Türkei) zu Beginn des Geschäftsjahres 2022/23 halbierte sich der Schrottpreis aber innerhalb eines Quartals. Den Hintergrund dafür bildeten die ausreichende Verfügbarkeit, prohibitiv hohe Energiekosten für die elektroofenbasierte Stahlproduktion sowie eine Eintrübung der konjunkturellen Stimmung. In der Folge stabilisierten sich die Preise bis zum Ende des Kalenderjahres 2022 in einer Bandbreite von etwa 350 bis knapp über 400 USD je Tonne. Im 4. Geschäftsquartal stieg der Schrottpreis wieder leicht und notierte mit Ende des Geschäftsjahres bei etwa 450 USD je Tonne. 

      Legierungen

      Legierungen bilden einen wesentlichen Kostenfaktor in der High Performance Metals Division. Sie finden darüber hinaus im Stahlwerk als Ergänzung zu Roheisen und Schrott Verwendung für die Herstellung von höchstqualitativen Stahlsorten. Auch bei Legierungen führte der Kriegsbeginn in der Ukraine zu starken preislichen Verwerfungen. Insbesondere bei jenen mit hohen Lieferanteilen aus Russland und der Ukraine war es noch gegen Ende des Geschäftsjahres 2021/22 zu heftigen Preisausschlägen gekommen. Betroffen davon waren insbesondere Nickel, Ferro-Vanadium und Ferro-Titan. Bei Nickel, der für die High Performance Metals Division bedeutendsten Legierungsart, hatte Anfang März 2022 die Befürchtung von Lieferengpässen zu einem Höchstwert bei Tagesschlusskursen von knapp unter 43.000 USD je Tonne geführt. In der Folge beruhigte sich der Markt relativ schnell wieder, und der Nickelpreis sank zu Beginn des Geschäftsjahres 2022/23 auf unter 33.000 USD. Bis etwa Mitte Juli 2022 hatte er sich auf das Niveau vor Ausbruch des Ukraine-Krieges normalisiert. Über den Sommer zeigte sich der Preis für Nickel moderat volatil, bevor er sich im 4. Kalenderquartal 2022 wieder auf über 30.000 USD je Tonne verteuerte. Ab Anfang Februar 2023 schwächte sich der Preis erneut ab und kam zum Ende des Geschäftsjahres bei etwa 23.000 USD zu liegen. Die Preisausschläge bei Ferro-Titan und Ferro-Chrom infolge des Ukraine-Krieges waren noch ausgeprägter als bei Nickel. Da die Ukraine als eine weltweit bedeutende Produzentin von Ferro-Titan gilt, kamen Ängste in Hinblick auf eine starke Verknappung bei dem für die Edelstahlproduktion wichtigen Legierungselement auf. Der Preis für Ferro-Titan legte innerhalb weniger Wochen um über 160 % zu, blieb bis Anfang Juni 2022 auf einem sehr hohen Niveau und schwächte sich in den Folgemonaten kontinuierlich ab. Etwa mit Anfang Dezember 2022 erreichte der Preis wieder das Niveau vor Ausbruch des Ukraine-Krieges und verharrte bis zum Ende des Geschäftsjahres auf diesem vergleichsweise moderaten Niveau. Beim Legierungselement Ferro-Chrom wiederum ist es vor allem Russland, das große Vorkommen besitzt. Die erratischen Preisausschläge im Frühjahr 2022 liegen auch darin begründet, dass Ferro-Chrom in der Herstellung sehr energieintensiv ist und sich somit im Gefolge der massiv gestiegenen Energiekosten zusätzlich verteuerte. Der Preisverlauf bei Ferro-Chrom im Berichtsjahr war ähnlich jenem von Ferro-Titan, wenngleich mit etwas geringeren Preisausschlägen. Ein gänzlich konträres Bild zeigt die Preisentwicklung bei Ferro-Molybdän: Nach einem relativ unauffälligen Verlauf im 1. Halbjahr 2022/23 prägten erratische Ausschläge die Preiskurve im 2. Halbjahr 2022/23. So verteuerte sich Ferro-Molybdän mit Anfang Februar 2023 im Vergleich zu Anfang November 2022 um mehr als das Doppelte. Zu diesen signifikanten Preisanstiegen geführt hatten bei Ferro-Molybdän, das als Nebenprodukt beim Abbau von Kupfer gewonnen wird, Produktionsausfälle bei gleichzeitig hoher Nachfrage.

      Energien

      Die wichtigsten Energiequellen für die voestalpine stellen Erdgas und Strom dar. Erdgas wird hauptsächlich für die Wärmebehandlung und für die Walzwerke in den Stahlwerken benötigt. Die hochofenbasierten Stahlstandorte der voestalpine in Österreich sind durch die interne Verstromung der im Produktionsprozess anfallenden Hüttengase zu einem großen Teil energieautark bei Strom. Im Gegensatz dazu benötigen die Elektrolichtbogenöfen für die Edelstahlerzeugung in der High Performance Metals Division größere Mengen an Fremdstrom. Dabei wurden die massiven Verwerfungen spürbar, die der Ukraine-Krieg bei den Energiepreisen verursachte: Kurz nach Ausbruch des Krieges erreichte der Erdgaspreis in Europa mit dem kurzfristigen Überschreiten der Marke von 200 EUR pro MWh (Spotmarkt THE Settlement, Deutschland) zunächst einen historischen Höchststand. Die Sorge vor verringerten Erdgaslieferungen oder sogar einem Lieferstopp aus Russland stand im Raum. Zu Beginn des Geschäftsjahres 2022/23 entspannte sich die Lage, womit sich der Erdgaspreis zunächst auf unter 100 EUR je MWh verringerte. Ab Juni 2022 stiegen die Gaspreise in Europa jedoch wieder drastisch, da Russland die Gaslieferungen in die Europäische Union kontinuierlich drosselte. Sorge, die russischen Lieferungen könnten gänzlich eingestellt werden, machte sich breit. In dieser Phase erstellte die Europäische Union für den Fall einer Gasunterversorgung Notfallpläne. Im August 2022 überschritt der Gaspreis erstmals die Marke von 300 EUR pro MWh. Über den Bau von LNG-Terminals und das Ausweichen auf alternative Lieferant:innen konnte Europa die Abhängigkeit von russischem Gas reduzieren. Die Gasspeicher wurden für den Winter zügig und ausreichend befüllt. Parallel verminderte sich auch der Gasverbrauch der Konsument:innen bzw. der Industrie. Die deutliche Entspannung der Lage manifestierte sich in einem rapiden Preisverfall: Im Herbst 2022 fiel der Gaspreis schließlich unter 50 EUR pro MWh. In der Folge blieb der Preis volatil und erreichte kurzfristig wieder ein Niveau von 150 EUR pro MWh. Ab Dezember 2022 schwächte er sich – u. a. auch wegen untypisch milder Temperaturen am Höhepunkt der Heizsaison – schrittweise ab und kam zum Ende des Geschäftsjahres bei knapp unter 50 EUR pro MWh zu liegen. Um die Gasversorgung (insbesondere an den österreichischen Standorten) sicherzustellen, hat sich der voestalpine-Konzern mit Mai 2022 eigene Gasspeicher vertraglich gesichert. Mit einer bestehenden Reserve von 1,5 TWh Erdgas kann im Ernstfall bei völligem Ausfall der externen Versorgung drei Monate lang der Vollbetrieb bzw. in Abhängigkeit von der jeweiligen Produktionsfahrweise ein Teilbetrieb über einen entsprechend längeren Zeitraum aufrechterhalten werden.  Weiters wurde und wird mit bestehenden wie auch neuen Lieferant:innen an der Diversifikation der Gasbezugsquellen gearbeitet. Da sich der Strompreis an den Grenzkosten auf Basis des „merit order“-Prinzips für die teuerste Erzeugungsvariante orientiert, bestimmte im Berichtsjahr der Preisverlauf für Erdgas maßgeblich den Preis für elektrische Energie. Während zu Beginn des Geschäftsjahres der Zukaufspreis für Strom am Spotmarkt bei etwas unter 200 EUR pro MWh (Spotmarkt EXAA AT Base) lag, kletterte er im Sommer 2022 auf historische Höchstniveaus und erreichte im August ein durchschnittliches Niveau von knapp unter 500 EUR pro MWh. Erst die folgenden Monate brachten eine kontinuierliche Entspannung der Situation. Gegen Ende des Geschäftsjahres lag das Preisniveau bei etwas über 100 EUR pro MWh.