Bericht des Aufsichtsrates über das Geschäftsjahr 2022/23

Dr. Joachim Lemppenau (Foto)
Dr. Joachim Lemppenau

Mit diesem Geschäftsjahr hat der voestalpine-Konzern eine seiner prägendsten Persönlichkeiten der letzten Jahrzehnte verloren. Dr. Joachim Lemppenau, der dem Aufsichtsrat der voestalpine AG 23 Jahre – davon 18 Jahre als Vorsitzender – angehört hat, ist Ende September 2022 im 81. Lebensjahr verstorben. Dr. Lemppenau hat die Erfolgsgeschichte des heutigen Stahl- und Technologiekonzerns voestalpine maßgeblich mitgeprägt, stand er doch im Aufsichtsrat sowohl für die weltweite Technologie- und Qualitätsführerschaft im Stahl als auch für einen forcierten Ausbau der Verarbeitungskompetenzen und der Internationalisierung. Dr. Lemppenau hat sich aber nicht nur durch ausgeprägte unternehmerische Kompetenz ausgezeichnet, sondern gleichzeitig Menschlichkeit und Verantwortungsbewusstsein vorgelebt. Ende März 2022 hat er den Vorsitz im Aufsichtsrat zurückgelegt, wäre aber für die zwei verbliebenen Jahre seines Aufsichtsrats-mandates, somit bis zur Hauptversammlung 2024 dem Unternehmen weiterhin als Mitglied des Gremiums zur Verfügung gestanden. Nach seinem Ableben hat der Aufsichtsrat beschlossen, für das vakant gewordene Mandat bis zum Ende der Funktionsperiode, d.h. bis zur Hauptversammlung 2024, keine Ersatzwahl vorzunehmen.

Das Geschäftsjahr 2022/23 war durch eine Reihe negativer Einflüsse geprägt: den Krieg in der Ukraine, hohe Energiepreise in Europa, eine wachsende Inflation und steigende Zinsen sowie anhaltende Probleme in den Lieferketten. Ungeachtet dieses insgesamt schwierigen makroökonomischen Umfelds war der Geschäftsjahresverlauf in den meisten Marktsegmenten durch eine solide Nachfrage geprägt. In Verbindung mit entsprechender operativer Flexibilität und Anpassungsfähigkeit erreichte der voestalpine-Konzern damit trotz des herausfordernden Umfelds neuerlich Rekordwerte bei Umsatz und operativem Ergebnis. Nähere Ausführungen zum wirtschaftlichen Umfeld und zur Ergebnisentwicklung des Konzerns finden sich im Bericht des Vorstandes sowie im Konzernlagebericht, sodass an dieser Stelle auf eine detailliertere Darstellung verzichtet wird.

Im abgelaufenen Geschäftsjahr hat der Aufsichtsrat die ihm nach Gesetz und Satzung zukommenden Aufgaben im Rahmen von sechs Plenarsitzungen, drei Sitzungen des Prüfungsausschusses und sechs Sitzungen des Präsidialausschusses wahrgenommen. In den Plenar- und Prüfungsausschusssitzungen hat der Vorstand über den Gang der Geschäfte und die Lage der Gesellschaft einschließlich der finanziellen Gebarung schriftlich und mündlich umfassend Auskunft erteilt.

In seinen Sitzungen befasste sich der Aufsichtsrat neben den laufenden Berichten über die aktuelle geschäftliche und finanzielle Situation der Unternehmensgruppe vor allem mit den die Zukunft bestimmenden Themen Nachhaltigkeit, Innovationen und Informationstechnologie. Den Schwerpunkt bildete dabei im abgelaufenen Geschäftsjahr zweifelsfrei die Vorbereitung der ersten Schritte zur Dekarbonisierung der Stahlerzeugung an den Standorten in Linz und Donawitz. Hat der Aufsichtsrat bereits im März 2022 seine Zustimmung zu den Vorarbeiten für eine klimafreundliche Stahlproduktion in Österreich erteilt, so genehmigte er im März dieses Jahres den nächsten Schritt: Mit einem Investitionsvolumen von rund 1,5 Mrd. EUR soll als Ersatz für zwei der derzeit insgesamt fünf in Betrieb befindlichen Hochöfen je ein Elektrolichtbogenofen an den beiden Standorten errichtet werden. Der unter greentec steel entwickelte Plan sieht vor, dass die Anlagen- und Lieferant:innen-Entscheidung noch 2023 getroffen wird, der Bau 2024 startet und die Inbetriebnahme der beiden Aggregate 2027 erfolgt. Ab diesem Zeitpunkt können dann bis zu 30 % der heutigen CO2-Emissionen des Konzerns eingespart werden. Dies entspricht rd. 5 % der österreichweiten jährlichen CO2-Emissionen, das Vorhaben ist damit Österreichs größtes singuläres Klimaschutzprojekt. Langfristig strebt das Unternehmen eine CO2-neutrale Stahlproduktion an. Um dieses Ziel bis spätestens 2050 zu erreichen, forscht der Konzern bereits an mehreren neuen Verfahren und investiert in Pilotprojekte, die alternative Wege in der Stahlerzeugung aufzeigen. Dazu zählen etwa Forschungsprojekte wie die Wasserstoffpilotanlage H2FUTURE am Standort Linz zur Herstellung und Nutzung von „grünem“ Wasserstoff im industriellen Maßstab sowie am Standort Donawitz die Versuchsanlagen zur CO2-neutralen Stahlerzeugung durch Direktreduktion von Erzen mittels Wasserstoff. Weitere Forschungsprojekte widmen sich der Speicherung und Wiederverwendung von nicht vermeidbaren Restemissionen.

Eine laufende Berichterstattung des Vorstandes erfolgte auch zu einem weiteren, sowohl unter Innovations- als auch Nachhaltigkeitsaspekten zentralen Konzernprojekt, dem Neubau des Edelstahlwerkes am Standort Kapfenberg, welches im Geschäftsjahr 2023/24 in Betrieb genommen wird.

Der Aufsichtsrat hat sich zudem mit den Themen Absicherung der langfristigen Rohstoff- und Energieversorgung des voestalpine-Konzerns unter besonderer Berücksichtigung von neuen Dekarbonisierungstechnologien sowie mit einem ganzheitlichen konzernalen Circular-Economy-Konzept zur Etablierung von erweiterten Materialkreisläufen beschäftigt.

Der Präsidialausschuss befasste sich neben Vergütungsfragen insbesondere mit dem Verfahren zur Besetzung des Vorstandes nach Auslaufen der aktuellen Funktionsperiode mit März 2024 und mit Vorbereitungsmaßnahmen zur Neuwahl des Aufsichtsrates anlässlich der Hauptversammlung 2024.

Der Prüfungsausschuss beschäftigte sich in erster Linie mit der Vorbereitung und Prüfung des Konzern- und Einzelabschlusses der voestalpine AG, der Unabhängigkeit der Abschlussprüferin bzw. des Abschlussprüfers sowie mit Themen – aber auch der Weiterentwicklung – des Internen Kontrollsystems, des Risikomanagementsystems und der Internen Revision.

Zu Details der Zusammensetzung und Arbeitsweise des Aufsichtsrates und seiner Ausschüsse wird auf den Konsolidierten Corporate Governance-Bericht 2022/23 verwiesen.

Der Jahresabschluss und der Konzernabschluss zum 31. März 2023 wurden von der in der Hauptversammlung am 6. Juli 2022 gewählten Abschlussprüferin, der Deloitte Audit Wirtschaftsprüfungs GmbH, Wien, geprüft. Die Abschlussprüferin nahm an allen drei Sitzungen des Prüfungsausschusses teil und stand für Fragen und Diskussionen zur Verfügung.

Die Prüfung hat zu keinen Einwendungen geführt und ergeben, dass der Jahresabschluss sowie der gemäß § 245a UGB nach International Financial Reporting Standards (IFRS) aufgestellte Konzernabschluss den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Die Abschlussprüferin hat sowohl für den Jahresabschluss als auch für den Konzernabschluss einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt und bestätigt, dass der Lagebericht im Einklang mit dem Jahresabschluss und der Konzernlagebericht im Einklang mit dem Konzernabschluss stehen.

Nach vorhergehender Befassung des Prüfungsausschusses hat der Aufsichtsrat am 6. Juni 2023 den Jahresabschluss zum 31. März 2023 geprüft und gebilligt. Der Jahresabschluss ist damit gemäß § 96 Abs. 4 Aktiengesetz festgestellt. Der Aufsichtsrat hat zudem nach vorheriger Befassung des Prüfungsausschusses den Lagebericht sowie den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht, den Konsolidierten Corporate Governance-Bericht und den Konsolidierten nicht-finanziellen Bericht (Corporate Responsibility Report) jeweils des Geschäftsjahres 2022/23 geprüft und genehmigt. Die Prüfungen durch den Aufsichtsrat haben zu keinen Beanstandungen geführt.

Der Konsolidierte Corporate Governance-Bericht 2022/23 wurde ebenfalls von der Deloitte Audit Wirtschaftsprüfungs GmbH, Wien, im Rahmen der jährlich durchgeführten externen Evaluierung der Einhaltung des Corporate Governance-Kodex durch die voestalpine AG geprüft. Bei dieser Prüfung wurden keine Sachverhalte bekannt, die zu der Annahme veranlassen, dass der Konsolidierte Corporate Governance-Bericht der Gesellschaft in wesentlichen Belangen nicht mit dem Corporate Governance-Kodex übereinstimmt. Die Prüfung der Einhaltung der die Abschlussprüferin betreffenden C-Regeln des Kodex (Regeln 77 bis 83) erfolgte durch die Rechtsanwaltskanzlei WOLF THEISS Rechtsanwälte GmbH & Co KG. Diese Prüfung hat die Einhaltung dieser Regeln bestätigt.

Der Konsolidierte nicht-finanzielle Bericht 2022/23 wurde von der Deloitte Audit Wirtschaftsprüfungs GmbH, Wien, geprüft. Auf Basis der Prüfungshandlungen sind ebenfalls keine Sachverhalte bekannt geworden, die zu der Annahme veranlassen, dass der Bericht der voestalpine AG in wesentlichen Belangen nicht mit den gesetzlichen Vorschriften sowie den GRI-Standards übereinstimmt.

Festgestellt wird, dass das Geschäftsjahr 2022/23 mit einem Bilanzgewinn von 268,0 Mio. EUR schließt; es wird vorgeschlagen, eine Dividende von 1,50 EUR je dividendenberechtigter Aktie an die Aktionär:innen auszuschütten und den verbleibenden Betrag auf neue Rechnung vorzutragen.

Der Dank des Aufsichtsrates gilt einmal mehr den rund 50.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des voestalpine-Konzerns weltweit für ihren Einsatz und ihre Loyalität in schwierigen Zeiten; er gilt dem Vorstand und dem Führungsteam für Entschlossenheit und Konsequenz in ihrem Handeln unter herausfordernden Bedingungen sowie last, but not least unseren Aktionärinnen und Aktionären dafür, dass sie auch in wirtschaftlich unruhigen Zeiten dem Unternehmen die Treue gehalten haben und halten.

Der Aufsichtsrat

Dr. Wolfgang Eder
(Vorsitzender)

Linz, am 6. Juni 2023

IFRS (‘International Financial Reporting Standards’)
Rechnungslegungsnormen, die eine international vergleichbare Bilanzierung und Publizität gewährleisten sollen.