Sehr geehrte Damen und Herren,
das Geschäftsjahr 2017/18 war in geopolitischer Hinsicht durch eine Reihe neuer, teilweise überraschender Entwicklungen geprägt. Neben dem Dauerkrisenherd Naher und Mittlerer Osten sowie dem weiter eskalierenden Sanktionswettlauf zwischen Russland und dem Westen brachten die letzten zwölf Monate einen erstmals klar artikulierten globalen Führungsanspruch Chinas sowohl in wirtschaftlicher als auch politischer Hinsicht. Einer zunächst massiven Verschärfung des jahrzehntelangen Konflikts zwischen Nord- und Südkorea folgte zuletzt eine völlig unerwartete Entspannung in den bilateralen Beziehungen, deren Nachhaltigkeit allerdings noch unter Beweis zu stellen sein wird. Offensichtlicher als unter den Vorgängerregierungen der jüngeren Vergangenheit stellt sich der politische und ökonomische Führungsanspruch der aktuellen US-Administration dar, untermauert durch ein Rekord-Rüstungsbudget, das Infragestellen des NAFTA-Konzepts und massive protektionistische Tendenzen im Sinne von „America First“ im Handelsbereich.
Die Europäische Union unternimmt in diesem Umfeld – nicht zuletzt auch als Antwort auf den Brexit – einmal mehr den Versuch einer forcierten Integration, primär getrieben von Frankreichs Präsident Macron. Unverhohlen nationalistische und protektionistische Tendenzen vor allem in einigen der jüngeren Mitgliedsstaaten wirken dem allerdings entgegen. Gerade vor dem Hintergrund des Wettlaufes um den politischen und wirtschaftlichen Führungsanspruch zwischen den USA und China täte Europa ohne Zweifel gut daran, sich expliziter und selbstbewusster im globalen Spiel der Kräfte zu positionieren. Es wäre hoch an der Zeit, endlich vom innenorientierten Fokus der politischen Auseinandersetzung wegzukommen und sich aktiv und bewusst den internationalen Herausforderungen zu stellen.
Bei allen politischen Unwägbarkeiten brachte das abgelaufene Geschäftsjahr in wirtschaftlicher Hinsicht global betrachtet die Rückkehr zu den Wachstumsraten der Vorkrisenjahre. Eine weltweit zunehmende Nachfrage in nahezu allen Industriesegmenten, eine deutliche Verringerung der Verschuldung der öffentlichen Haushalte infolge von Reformmaßnahmen in einer Reihe von Ländern und vergleichsweise stabile Wechselkurse bei einem gleichzeitig anhaltend niedrigen Zinsniveau waren die wichtigsten Treiber der positiven Entwicklung. Für den voestalpine-Konzern sollte das neue Geschäftsjahr 2018/19 zumindest in seiner ersten Hälfte von ähnlichen Voraussetzungen geprägt sein wie das abgelaufene. Allerdings ist aufgrund der bereits angesprochenen jüngsten Entwicklungen von zunehmend ungewisser werdenden Rahmenbedingungen auszugehen: Den größten Unsicherheitsfaktor stellt dabei kurzfristig die mögliche Eskalation der weltweiten Auseinandersetzungen um die Verschärfung nationaler Handelsbeschränkungen dar. Dabei sollte der Politik gleich wo auf der Welt bewusst sein, dass jede Zunahme protektionistischer, das heißt den internationalen Wettbewerb einschränkender Tendenzen früher oder später zu einer Reduktion des Angebots bei gleichzeitig steigenden Preisen führt. Damit gehen solche Entwicklungen letztlich immer zulasten der Konsumenten. Dass internationaler Handel nur auf Basis einheitlicher Qualitätsmindeststandards und nachvollziehbarer Kostenstrukturen funktionieren kann, muss dabei unbestritten bleiben. In ihren Dimensionen ebenfalls schwer vorhersehbar sind die Auswirkungen der über kurz oder lang auch in Europa fällig werdenden Zinswende auf die allgemeine Wirtschaftsentwicklung. Nicht zuletzt stellt sich schließlich die Frage, wie lange der aktuell weitgehend über das gesamte industrielle Spektrum wirksame Aufschwung in dieser Breite erhalten bleiben wird.
Das abgelaufene Geschäftsjahr brachte der voestalpine nicht nur neue Höchstwerte bei Umsatz und Ergebnis, sondern auch wichtige Schritte in Richtung langfristiger Absicherung der Position als Technologie- und Qualitätsführer in ihren Hauptproduktsegmenten. Dazu gehört die erfolgreiche Inbetriebnahme der weltweit ersten voll digitalisierten Drahtstraße genauso wie die Entscheidung über die Errichtung des ersten neuen Edelstahlwerkes seit über 40 Jahren in Europa. Gleichermaßen zählt dazu der massive globale Ausbau der Fertigungskapazitäten im Bereich von Hightech-Automobilkomponenten wie die Errichtung einer zukunftsweisenden Wasserstoff-Versuchsanlage zur Entwicklung von Alternativen zu den traditionellen fossilen Energieträgern. Schließlich sind auch die Erarbeitung des Basiskonzepts für die umfassende Digitalisierung des Konzerns und die Fortsetzung der Entwicklungsarbeiten am langfristigen Technologiekonzept für die traditionellen österreichischen Stahlstandorte Linz und Leoben/Donawitz wichtige Elemente dieser Entwicklung.
Finanzielle Situation und Bilanzstruktur des voestalpine-Konzerns sind geprägt durch kontinuierlich steigende Eigenmittel, eine sinkende Nettofinanzverschuldung und damit auch ein fallendes Gearing. Dies trotz unverändert ambitionierter – wenngleich planmäßig etwas unter dem Niveau der vergangenen Jahre liegender – Investitionsprogramme in allen vier Konzerndivisionen. Die solide sowohl operative als auch strategische Position des Konzerns und die damit verbundene starke Entwicklung des Cashflows als Ausdruck einer weiter steigenden Selbstfinanzierungskraft haben Vorstand und Aufsichtsrat veranlasst vorzuschlagen, die schon in den Vorjahren kontinuierlich erhöhte Dividende für das abgelaufene Geschäftsjahr nochmals deutlich anzuheben.
Die Geschichte des voestalpine-Konzerns ist seit seinem Börsengang im Herbst 1995 durch eine stetige Aufwärtsentwicklung geprägt. Selbst die kritische Periode der Finanz- und Wirtschaftskrise änderte nichts an kontinuierlichen Gewinnen und Dividenden. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des hervorragend verlaufenen Geschäftsjahres 2017/18 und den über die letzten Jahre konsequent ausgebauten Stärken des Konzerns sollte sich daran auch in Zukunft nichts ändern – im Interesse unserer Kunden, Aktionäre und Mitarbeiter.
Linz, 25. Mai 2018
Der Vorstand
Wolfgang Eder
Herbert Eibensteiner
Franz Kainersdorfer
Robert Ottel
Franz Rotter
Peter Schwab
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