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Klimaschutz

SDG 05 – Geschlechtergleichheit (Foto)

Die globalen, europäischen und nationalen Vorgaben zum Klimaschutz stellen energieintensive Branchen wie die Stahlindustrie vor die Herausforderung, gänzlich neue Produktionstechnologien auf Basis eines stabilen erneuerbaren Energiesystems zu entwickeln und langfristig im großtechnischen Maßstab breitflächig umzusetzen.

Der politische Rahmen

Am 4. November 2016 trat das Weltklimaabkommen der Vereinten Nationen (Paris-Abkommen) in Kraft, das ab 2020 das Kyoto-Protokoll als globalen Klimaschutzrahmen ablösen wird. Der 2015 auf der Weltklimakonferenz in Paris festgelegte Prozess zu Evaluierung und Monitoring von Klimaschutzmaßnahmen sowie zur Entwicklung und Ausgestaltung von Anreiz- und Finanzierungsmechanismen wird nun schrittweise konkretisiert und implementiert. Das Paris-Abkommen strebt eine Begrenzung der Erderwärmung gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter auf 2, nach Möglichkeit sogar auf nur 1,5 Grad Celsius an und sieht dazu bis etwa 2050 einen praktisch vollständigen Ausstieg aus fossilen Energieträgern vor (Dekarbonisierung).

Allerdings reichen dazu die bisherigen Selbstverpflichtungen (Nationally Determined Contributions) der dem Weltklimavertrag beigetretenen knapp 180 Staaten und Regionen nicht aus.

Die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten haben die 2014 beschlossenen „2030-Ziele“ in das Weltklimaabkommen eingebracht. Diese bilden bereits seit damals die europäische Rahmenstrategie für Energie-, Klima-, Wettbewerbs- und Innovationspolitik. Bis 2030 müssen demnach die CO2-Emissionen um mindestens 40 % gegenüber 1990 gesenkt werden. Für Branchen wie die Stahlindustrie, die dem Emissionshandelssystem (ETS) unterliegen, resultiert daraus eine notwendige Verringerung um 43 % gegenüber 2005 (Zeitpunkt der ETS-Einführung). Auf EU-Ebene wird derzeit allerdings über eine Verschärfung der ohnehin äußerst ambitionierten Ziele für 2030 und in weiterer Folge der Vorgaben bis 2050 diskutiert. Erfolgt dies nicht im größtmöglichen globalen Kontext, ergibt sich daraus für energieintensive Industrien ein noch höheres Risiko durch Wettbewerbsverzerrung als bisher.

Aus Unternehmenssicht stehen im Zusammenhang mit der europäischen Energieunion vor allem zwei Bereiche im Fokus. Zum einen passierte das Paket „Saubere Energie für alle Europäer“ (Clean Energy Package) zur Drucklegung dieses Berichts den Trilog, also die abschließenden Beratungen zwischen Kommission, Rat und Parlament der Europäischen Union. Das Paket regelt wesentliche Elemente wie den Ausbau erneuerbarer Energieträger, das Energiemarktdesign, die Energieeffizienz und die übergeordnete Governance zur Erstellung periodischer nationaler Energie- und Klimapläne. Zum anderen sind gegenwärtig Verhandlungen zum 9. Finanzrahmenprogramm der EU im Gang, einschließlich künftiger Dotierung und Ausrichtung der Forschungs- und Technologieinitiativen nach Ende des laufenden Horizon 2020-Programms. Für die Stahlindustrie steht dabei im Mittelpunkt, die Entwicklung und großtechnische Umsetzung neuer Herstellverfahren zu unterstützen. In sektorübergreifender Zusammenarbeit gilt es weiters, die langfristige Dekarbonisierung durch innovative Wege in der Energiebewirtschaftung mit erneuerbaren Energieträgern im Zusammenspiel von Erzeugung, Bereitstellung, Infrastruktur und Verbrauch zu fördern. Die europäische Stahlindustrie erstellt gegenwärtig eine aktualisierte Roadmap bis 2050, die Herausforderungen, Lösungsansätze und Voraussetzungen dafür aufzeigt.

Auf nationaler Ebene wurde im Mai 2018 die Österreichische Energie- und Klimastrategie beschlossen, die den Rahmen zur Dekarbonisierung bis 2030 vorgibt und den Transformationspfad bis 2050 skizziert. Die konkrete Umsetzung von Vorhaben, Maßnahmen und Leuchtturmprojekten (etwa zu Wasserstoff) erfolgt in den einzelnen Materiengesetzen, beispielsweise in einem neuen Energiegesetz, das einzelne legistische Regelungen in einem integrierten Rahmen zusammenfassen soll.

EU-Emissionshandel

Ende 2017 wurde die Reform des EU-Emissionshandelssystems (EU ETS) für die Handelsperiode 2021 bis 2030 beschlossen. Das System verpflichtet Unternehmen, Rechte für jede Tonne emittierten Kohlendioxids zu erwerben, wobei spezielle Branchen ein bestimmtes Maß an Zertifikaten kostenlos zugeteilt erhalten.

Formell besteht zwar schon bisher ein so genannter „Carbon Leakage-Schutz“. Durch die Orientierung an Benchmarks, also den jeweils besten Standards, sollen Anreize für deren Erreichung geboten, aber auch die Verlagerung von Branchen mit technologisch derzeit noch „unvermeidbaren“ CO2-Emissionen in außereuropäische Regionen verhindert werden. Faktisch wird aber das Ziel einer Gratiszuteilung von Emissionshandelszertifikaten für die jeweils 10 % „Best Performer“ vor allem durch methodisch bedingte Abschläge klar verfehlt, was zu einer erheblichen Unterallokation (Unterdeckung mit Emissionsrechten) führt. Der damit verbundene Zukaufsbedarf für den voestalpine-Konzern liegt in der bis 2020 laufenden ETS-Handelsperiode bei rund einem Drittel der CO2-Gesamtemissionen. Auch im Zeitraum 2021 bis 2030 wird sich der Bedarf aus heutiger Sicht in dieser Größenordnung bewegen. Die Benchmark für die Gratiszuteilung wird von der EU-Kommission erst nach Beschluss der entsprechenden Rechtsgrundlage festgelegt.

Die jüngste Preisentwicklung der Emissionshandelszertifikate lässt wegen der erheblichen Verknappung von Emissionsrechten durch die ETS-Reform allerdings eine signifikant höhere finanzielle Belastung für den voestalpine-Konzern nach 2021 erwarten. Im Geschäftsjahr 2017/18 stieg der „CO2-Preis“ um rund 180 %, wobei der Anstieg großteils nach Beschluss der Emissionshandelsreform erfolgte.

Auf Basis aktueller Einschätzungen ist für den voestalpine-Konzern in der Handelsperiode 2021 bis 2030 ein Zukaufsbedarf pro Jahr von bis zu rund 4,5 Mio. t zu erwarten. Bei einer angenommenen Preisbrandbreite von 20-30 EUR/t würde das Kosten von 90 Mio. bis 135 Mio. EUR jährlich bzw. für die gesamte Handelsperiode von 900 Mio. bis über 1,3 Mrd. EUR bedeuten.

Der Hauptkritikpunkt der voestalpine neben der nur theoretisch ausreichenden Gratiszuteilung und den praktisch unerreichbaren Benchmark-Werten liegt darin, dass das ETS den Unternehmen Mittel für betriebliche Energie- und Klimaschutzinvestitionen entzieht. Die voestalpine schlägt daher eine zweckgebundene Rückführung von ETS-Aufwendungen in die Unternehmen vor, um die Entwicklung von Low-Carbon-Technologien und den dafür erforderlichen Umbau des Energiesystems zu forcieren.

Dekarbonisierung: Herausforderungen und Lösungsmöglichkeiten

Die Emissionsintensität der Stahlerzeugung resultiert zunächst rein chemisch aus der auf Kohle/Koks basierten Produktionstechnologie nach dem LD-Verfahren (Roheisenerzeugung im Hochofen, Rohstahlerzeugung im Sauerstoffkonverter), das nach wie vor weltweiter Standard der Stahlherstellung ist. Koks wird in der Roheisenerzeugung im Hochofen als Reduktionsmittel benötigt, er liefert den nötigen Kohlenstoff, um dem Eisenerz Sauerstoff zu entziehen. Im LD-Konverter wird durch Einblasen von Sauerstoff der noch im Roheisen enthaltene Kohlenstoff oxidiert. Eine Senkung der dabei prozessbedingt entstehenden CO2-Emissionen kann nur durch teilweisen (bzw. auf lange Sicht vollständigen) Ersatz von Kohlenstoff, d. h. durch völlig neue metallurgische Verfahren, erreicht werden.

„Weniger CO2“ bedeutet „mehr Energie“

Die fossilen Rohstoffe sind im Prozess zugleich die wichtigsten Energieträger. Die voestalpine-Stahlstandorte Linz und Donawitz sind weitgehend stromautark, da der Großteil des Strombedarfs über den integrierten Energiekreislauf auf Basis Kohle/Koks abgedeckt wird. Anfallende Prozessgase aus der Stahlproduktion (z. B. dem Hochofen) werden in eigenen Kraftwerken in Strom umgewandelt, der wiederum in nachgelagerten Anlagen (etwa Walzwerken) verwendet wird.

Um diesen auf fossilen Energieträgern beruhenden Kreislauf zu ersetzen, würde die voestalpine alleine an diesen beiden Standorten das Äquivalent von zusätzlich rund 33 TWh erneuerbaren Stroms aus dem externen Netz benötigen. Dies entspricht etwa 30 Wasserkraftwerken.

Somit steht die Stahlerzeugung vor zwei zentralen Herausforderungen:

  • Zur Entwicklung und Industriereife völlig neuer, sogenannter „Breakthrough-Technologien“ verfolgt die Branche verschiedene Konzepte. Die voestalpine konzentriert sich auf die Direktvermeidung von Emissionen (Carbon Direct Avoidance) durch den Einsatz von Wasserstoff. Die Entwicklung und der großindustrielle Einsatz der Wasserstoffmetallurgie sind ein langfristiges Vorhaben, das aus heutiger Sicht einen Zeitraum bis etwa 2035 in Anspruch nehmen wird.
  • Die breitflächige Umstellung auf dann zur Verfügung stehende Verfahren muss aber nicht nur technologisch machbar, sondern auch wirtschaftlich darstellbar sein. Erneuerbare Energie muss in ausreichendem Maß, mit höchster Versorgungssicherheit und -stabilität sowie nicht zuletzt zu international wettbewerbsfähigen Preisen verfügbar sein.

Schrittweise Dekarbonisierung: Der voestalpine-Weg

Das voestalpine-Szenario zur Erreichung der Klimaziele sieht eine schrittweise Dekarbonisierung mittels der langfristigen Vision der Wasserstoffnutzung vor. Die drei tragenden Säulen dieses Konzeptes im Überblick:

  • Übergangstechnologie Direktreduktion: In der im Herbst 2016 in Betrieb genommenen Direktreduktionsanlage in Texas, USA, wird HBI (Hot Briquetted Iron) bzw. DRI (Direct Reduced Iron) mit Erdgas statt mit Kohle/Koks hergestellt. Ein Einsatz von HBI in den bestehenden Hochöfen in Linz und Donawitz ermöglicht eine CO2-Reduktion im Konzern um bis zu 5 %. In weiterer Folge kann langfristig Erdgas als Reduktionsmittel schrittweise durch „grünen Wasserstoff“ ersetzt werden.
  • Zukunftstechnologie Wasserstoff: In der SuSteel (Sustainable Steelmaking) - Versuchsanlage am Standort Donawitz wird die Schmelzreduktion von Eisenerz mit Wasserstoffplasma anstelle des aktuellen Hochofen-/LD-Stahlwerksverfahrens erforscht.
  • Erneuerbare Energieerzeugung – „grüner Wasserstoff“: Im Rahmen des EU-Leuchtturmprojekts „H2FUTURE“ wird am Standort Linz gemeinsam mit Partnern eine Versuchsanlage zur Erprobung der PEM (Proton Exchange Membrane)-Elektrolysetechnologie im großtechnischen Maßstab errichtet.

H2FUTURE: Die Vision vom „grünen Wasserstoff“ in der Stahlindustrie

Für die künftige Energiebewirtschaftung mit Wasserstoff errichtet das Projektkonsortium H2FUTURE, bestehend aus voestalpine, Verbund, Siemens, dem österreichischen Übertragungsnetzbetreiber Austrian Power Grid (APG) sowie den wissenschaftlichen Partnern K1-MET und ECN/TNO, am voestalpine-Standort Linz die derzeit weltweit größte Elektrolyseanlage zur Erzeugung von grünem Wasserstoff. Das Leuchtturmprojekt wird von der EU-Kommission im Rahmen des Horizon 2020-Programms (Fuel Cells and Hydrogen Joint Undertaking) unterstützt.

Ziele und Meilensteine des Projekts

Die Erzeugung von Wasserstoff erfordert Strom. Derzeit wird Wasserstoff noch fast ausschließlich fossil, nämlich mit Erdgasreformierung, hergestellt. Ziel von H2FUTURE ist es, „grünen“, also auf erneuerbarer Basis gewonnenen Wasserstoff, mit einer sogenannten PEM (Protonen-Austausch-Membran)-Elektrolysetechnologie aus Wasser zu produzieren. Der gewonnene Wasserstoff soll als Industriegas getestet und die Anlage am Regelenergiemarkt erprobt werden. H2FUTURE untersucht zentrale Fragestellungen der Sektorkopplung von Energie und Industrie sowie die Übertragbarkeit der Technologie auf weitere Industriesektoren, die Wasserstoff im Produktionsprozess einsetzen könnten. Weiterer Schwerpunkt ist die Einbindung der reaktionsschnellen PEM-Elektrolyseanlage in die Regelenergiemärkte durch Entwicklung von Demand-Side-Management-Lösungen. Diese gleichen durch Lastmanagement bei großen Verbrauchern kurzfristige Schwankungen im zunehmend volatilen Stromnetz aus.

Nach dem Projektstart 2017 wurde Anfang 2018 mit den Bauarbeiten begonnen. Diese sind bereits weitgehend abgeschlossen, sodass im Sommer 2018 der Einbau der Elektro-Kernkomponenten gestartet wird und Ende 2018 die erste Inbetriebnahme erfolgen soll. Der Start des umfangreichen und bis etwa Mitte 2021 laufenden Versuchsprogramms ist für Frühjahr 2019 geplant.

Sustainable Steelmaking: Stahlerzeugung ohne Zwischenschritte

Die direkte Herstellung von Stahl aus Eisenoxiden ohne Zwischenstufen stellt den visionärsten Forschungsansatz dar. Ziel des Projekts Sustainable Steelmaking (SuSteel) ist die Entwicklung einer neuartigen Wasserstoffplasma-Technologie für die CO2-freie und damit nachhaltigere Produktion von Stahl. Dabei soll Wasserstoffplasma sowohl zur Reduktion der Oxide als auch als Energieträger zum Aufschmelzen dienen.

Bei Verwendung von Wasserstoff als Reduktionsmittel entsteht lediglich klimaneutrales Wasser. Um die Entwicklung dieses Konzepts hin zur tatsächlichen technologischen Umsetzung voranzutreiben, wird am voestalpine-Standort Donawitz gemeinsam mit der voestalpine Stahl GmbH, Linz, eine Versuchsanlage zur schrittweisen Adaptierung von Komponenten und Komponentengruppen in Zusammenarbeit mit den Konsortialpartnern Montanuniversität Leoben und K1-MET betrieben. Diese Anlage soll bis 2019 die grundsätzliche Machbarkeit der Schmelzreduktion von Eisenoxiden im Wasserstoffplasma und damit die CO2-freie Stahlherstellung im Kleinmaßstab beweisen.


Über voestalpine

Die voestalpine ist ein in seinen Geschäftsbereichen weltweit führender Technologie- und Industriegüterkonzern mit kombinierter Werkstoff- und Verarbeitungskompetenz. Mit ihren qualitativ höchstwertigen Produkt- und Systemlösungen aus Stahl und anderen Metallen zählt sie zu den führenden Partnern der europäischen Automobil- und Hausgeräteindustrie sowie weltweit der Luftfahrt-, Öl- und Gasindustrie. Die voestalpine ist darüber hinaus Weltmarktführer in der Weichentechnologie und im Spezialschienenbereich sowie bei Werkzeugstahl und Spezialprofilen.

Fakten

50 Länder auf allen fünf Kontinenten
500 Konzerngesellschaften und -standorte
51.600 Mitarbeiter weltweit

Ergebnis GJ 2017/18

€ 13 Mrd.

Umsatz

€ 2 Mrd.

EBITDA

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