Der voestalpine-Konzern verfügt seit dem Geschäftsjahr 2000/01 über ein zwischenzeitlich immer wieder aktualisiertes und erweitertes Risikomanagementsystem, das in Form einer allgemeinen, konzernweit gültigen Verfahrensanweisung verankert ist.
Risikomanagement, wie es im voestalpine-Konzern verstanden und angewandt wird, dient sowohl der langfristigen Sicherung des Unternehmensbestandes als auch der Wertsteigerung und stellt damit für die Gruppe einen wesentlichen Erfolgsfaktor dar.
Seit Inkrafttreten des Unternehmensrechts-Änderungsgesetzes 2008 und der damit verbundenen erhöhten Bedeutung des Internen Kontrollsystems (IKS) sowie des Risikomanagementsystems ist in der voestalpine AG ein Prüfungsausschuss eingerichtet, der sich unter anderem kontinuierlich auch mit Fragen zum Risikomanagement und zum Internen Kontrollsystem bzw. dessen Überwachung befasst. Sowohl das Risikomanagement als auch das Interne Kontrollsystem sind im voestalpine-Konzern integrierte Bestandteile bestehender Managementsysteme. Die Interne Revision überwacht die Betriebs- und Geschäftsabläufe sowie das Interne Kontrollsystem und agiert in der Berichterstattung und bei der Wertung der Prüfungsergebnisse als unabhängiger unternehmensinterner Bereich weisungsungebunden.
Der systematische Risikomanagementprozess ist integraler Bestandteil der Geschäftsprozesse im Unternehmen und unterstützt das Management, Risiken frühzeitig zu erkennen und geeignete Vorsorgemaßnahmen zur Abwendung oder Vermeidung von Gefahren einzuleiten. Risikomanagement erstreckt sich sowohl über die strategische als auch die operative Ebene und ist damit ein maßgebliches Element für nachhaltigen Unternehmenserfolg.
Das strategische Risikomanagement dient der Evaluierung und Absicherung der strategischen Zukunftsplanungen. Die Strategie wird auf Konformität mit dem Zielsystem überprüft, um wertsteigerndes Wachstum durch bestmögliche Ressourcenallokation sicherzustellen.
Das operative Risikomanagement basiert auf einem revolvierenden Prozess („erheben und analysieren, bewerten, bewältigen, dokumentieren und überwachen“), der mehrfach jährlich konzernweit einheitlich durchlaufen wird. Die Bewertung identifizierter Risiken erfolgt anhand einer neun Felder umfassenden Bewertungsmatrix mit Beurteilung der möglichen Schadenshöhe und Eintrittswahrscheinlichkeit. Dokumentiert werden im Wesentlichen Betriebs-, Umwelt-, Markt-, Beschaffungs-, Technologie-, finanzielle und IT-Risiken. Unterstützt wird dieser Prozess durch ein spezielles webbasiertes IT-System.
Die im Vorjahresgeschäftsbericht für die wesentlichen Risikofelder dargestellten Vorsorgemaßnahmen haben nach wie vor Gültigkeit:
Rohstoffverfügbarkeit
Zur langfristigen Absicherung der Rohstoff- und Energieversorgung in den erforderlichen Mengen und Qualitäten verfolgt der voestalpine-Konzern bereits seit einigen Jahren eine risikominimierende diversifizierte Beschaffungsstrategie. Langfristige Lieferbeziehungen, die Ausweitung des Lieferantenportfolios sowie der Ausbau der Eigenversorgung bilden dabei die Kernelemente, die angesichts der anhaltenden Volatilität auf den Rohstoffmärkten weiter an Bedeutung gewinnen. (Näheres dazu im Kapitel Rohstoffe dieses Geschäftsberichtes.)
Richtlinie zur Rohstoffpreisabsicherung
Beim Rohstoffpreisrisikomanagement werden die Auswirkungen von Schwankungen am Rohstoffmarkt auf das EBIT ermittelt. Darauf aufbauend und unter Berücksichtigung individueller Besonderheiten des jeweiligen Rohstoffes werden Preissicherungen in Form von Lieferverträgen mit Fixpreisvereinbarung oder in Form von derivativen Finanzkontrakten vorgenommen. In einer internen Richtlinie sind Ziele, Grundsätze, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten sowie Methodik, Abläufe und Entscheidungsprozesse für den Umgang mit Rohstoffrisiken festgelegt.
CO2-Thematik
Risiken in Bezug auf CO2 werden gesondert im Kapitel Umwelt dieses Geschäftsberichtes behandelt.
Ausfall von IT-Systemen
Die Servicierung der Geschäfts- und Produktionsprozesse, die großteils auf komplexen Systemen der Informationstechnologie basieren, wird an einem überwiegenden Teil der Konzernstandorte von einer zu 100 % im Eigentum der Konzernholding voestalpine AG stehenden und auf IT spezialisierten Tochtergesellschaft (der voestalpine group-IT GmbH) wahrgenommen. Aufgrund der Bedeutung von IT-Sicherheit bzw. zur weiteren Minimierung möglicher IT-Ausfalls- und Sicherheitsrisiken wurden in der Vergangenheit sicherheitstechnische IT-Mindeststandards erarbeitet, deren Einhaltung jährlich in Form von Audits überprüft wird. Um das Risiko des unautorisierten Eindringens auf IT-Systeme und -Anwendungen weiter zu reduzieren, werden zusätzlich periodische Penetrationstests durchgeführt. Zur weiteren Sensibilisierung der Mitarbeiter erfolgte auch im abgeschlossenen Geschäftsjahr wieder eine Online-Kampagne hinsichtlich IT-Sicherheitsthemen.
Ausfall von Produktionsanlagen
Zur Minimierung des Ausfallsrisikos bei kritischen Anlagen werden gezielte und umfangreiche Investitionen in die technische Optimierung sensibler Aggregate getätigt. Konsequente vorbeugende Instandhaltung, eine risikoorientierte Reserveteillagerung sowie die Schulung der Mitarbeiter sind weitere Maßnahmen.
Wissensmanagement
Zur nachhaltigen Sicherung des Wissens, insbesondere zur Absicherung vor Know-how-Verlust, wurden schon in der Vergangenheit anspruchsvolle Projekte initiiert, die konsequent weitergepflegt werden. Es erfolgt eine permanente Dokumentation des vorhandenen Wissens, neue Erkenntnisse aus wesentlichen Projekten, aber auch aus ungeplanten Vorfällen werden im Sinne von „lessons learned“ entsprechend ab- und eingearbeitet. Detaillierte Prozessdokumentationen, vor allem auch im IT-gestützten Bereich, tragen ebenfalls zur Sicherung des vorhandenen Wissens bei.
Risiken aus dem Finanzbereich
Betreffend Richtlinienkompetenz, Strategiefestsetzung und Zieldefinition ist das finanzielle Risikomanagement zentral organisiert. Das bestehende Regelwerk beinhaltet Ziele, Grundsätze, Aufgaben und Kompetenzen sowohl für das Konzern-Treasury als auch für den Finanzbereich der einzelnen Konzerngesellschaften. Finanzielle Risiken werden ständig beobachtet, quantifiziert und – wo sinnvoll – abgesichert. Die Strategie zielt auf eine Verminderung der Schwankungen der Cashflows und der Erträge ab. Die Absicherung der Marktrisiken erfolgt zu einem hohen Anteil mit derivativen Finanzinstrumenten, die ausschließlich in Verbindung mit einem Grundgeschäft verwendet werden.
Im Einzelnen werden Finanzierungsrisiken durch folgende Maßnahmen abgesichert:
Liquiditätsrisiko
Liquiditätsrisiken bestehen im Allgemeinen darin, dass ein Unternehmen möglicherweise nicht in der Lage ist, den finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Die bestehenden Liquiditätsreserven versetzen die Gesellschaft in die Lage, auch in Krisenzeiten ihre Verpflichtungen fristgerecht zu erfüllen. Wesentliches Instrument zur Steuerung des Liquiditätsrisikos ist weiters eine exakte Finanzplanung, die quartalsweise revolvierend erstellt wird. Anhand der konsolidierten Ergebnisse wird der Bedarf an Finanzierungen und Kreditlinien bei Banken durch das zentrale Konzern-Treasury ermittelt.
Bonitätsrisiko
Das Bonitätsrisiko bezeichnet Vermögensverluste, die aus der Nichterfüllung von Vertragsverpflichtungen einzelner Geschäftspartner entstehen können. Das Bonitätsrisiko der Grundgeschäfte ist durch Kreditversicherungen und bankmäßige Sicherheiten (Garantien, Akkreditive) weitestgehend abgesichert. Das Ausfallsrisiko für das verbleibende Eigenrisiko wird auch durch Monitoring des Zahlungsverhaltens und engen Kontakt mit den Kunden verringert und – vor allem auch aufgrund der Krisenerfahrungen der Vergangenheit – als gering eingeschätzt. Ein hoher Prozentsatz der Liefergeschäfte ist durch Kreditversicherungen abgesichert. Per 31. März 2015 waren 78 % der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen über eine Kreditversicherung gedeckt. Das Bonitätsrisiko der Geschäftspartner von finanziellen Kontrakten wird durch ein tägliches Monitoring des Ratings und der Veränderung der CDS-Levels (Credit Default Swap) der Kontrahenten gesteuert.
Währungsrisiko
Eine Absicherung erfolgt im Konzern zentral durch den Abschluss von derivativen Sicherungsinstrumenten im Wege des Konzern-Treasury. Die voestalpine AG sichert die budgetierten Fremdwährungszahlungsströme (netto) der nächsten zwölf Monate ab. Längerfristige Absicherungen werden nur bei kontrahierten Projektgeschäften durchgeführt. Die Sicherungsquote liegt zwischen 50 % und 100 % der budgetierten Zahlungsströme innerhalb der nächsten zwölf Monate.
Zinsrisiko
Die Zinsrisikobeurteilung erfolgt für den gesamten Konzern zentral in der voestalpine AG. Hier wird insbesondere das Cashflow-Risiko (Risiko, dass sich der Zinsaufwand bzw. Zinsertrag zum Nachteil verändert) gemanagt. Mit Stichtag 31. März 2015 führt die Erhöhung des Zinsniveaus um 1 % zu einer Erhöhung des Nettozinsaufwands im nächsten Geschäftsjahr in Höhe von 2,95 Mio. EUR. Dies ist jedoch eine Stichtagsbetrachtung, die im Zeitverlauf zu starken Schwankungen führen kann. Da die voestalpine AG zur Sicherung der Liquidität eine Liquiditätsreserve hält, bestehen auch zinstragende Veranlagungen. Um daraus ein Zinsrisiko zu vermeiden, wird das Zinsänderungsrisiko – ausgedrückt durch die modifizierte Duration – der Aktivseite an das Zinsänderungsrisiko der Passivseite gekoppelt (Aktiv-Passiv-Management).
Preisrisiko
Eine Preisrisikobeurteilung findet ebenfalls in der voestalpine AG statt, zur Quantifizierung des Zins- und Währungsrisikos werden insbesondere Szenarioanalysen eingesetzt.
Unsicherheiten in der Gesetzgebung
Steuerrechtliche Firmenwertabschreibung in Österreich
Mit Beschluss vom 30. Jänner 2014 hat der Verwaltungsgerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen an den EUGH – VwGH 30.1.2014, EU 2014/0001-1 (2013/15/0186) – gerichtet. Unter anderem mit der Frage, ob die Firmenwertabschreibung bei Anschaffung einer inländischen Beteiligung im Rahmen der österreichischen Gruppenbesteuerung Beihilfecharakter im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV hat. Der Ausgang des EUGH-Vorabentscheidungsverfahrens ist offen. Bei Qualifikation der Firmenwertabschreibung als „Beihilfe“ könnte es zu einer Rückabwicklung für einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren ab Beihilfengewährung kommen. Eine Rückabwicklung des bisherigen Steuerentlastungseffekts in Höhe von 194 Mio. EUR als auch eine Auflösung der gebildeten aktiven latenten Steuern in Höhe von 108,4 Mio. EUR ist abhängig vom Ausgang des Vorabentscheidungsverfahrens. Derzeit wird das Risiko des Eintritts einer Rückabwicklung als unwahrscheinlich angesehen.
Energieabgabenrückvergütung in Österreich
Betreffend der österreichischen Energieabgabenvergütung hat das Bundesfinanzgericht ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet (BFG 31.10.2014, RE/5100001/2014) gerichtet. Durch die Novellierung des Energieabgabenvergütungsgesetzes mit dem Budgetbegleitgesetz 2011, das für Zeiträume nach 31.12.2010 gilt, wurde die Energieabgabenvergütung auf Produktionsbetriebe eingeschränkt. Die Vorlagefragen befassen sich mit der Verletzung von Verpflichtungen der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO), fehlenden Umweltschutzmaßnahmen in der Vergütungsregelung und der fehlenden zeitlichen Einschränkung der Freistellung. Bei Qualifikation der Energieabgabenvergütung als „Beihilfe“ könnte es zu einer Rückabwicklung für Zeiträume nach dem 31.12.2010 kommen. Derzeit wird der Eintritt des Risikos einer Rückabwicklung als unwahrscheinlich angesehen.
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