Klimaschutz

Sorumluluk (Foto)

Klimaschutz und Dekarbonisierung stellen in energieintensiven Branchen wie der Stahlindustrie eine wesentliche Herausforderung für die Prozess- und Produktentwicklung dar. Mit dem „Europäischen Grünen Deal“ und dem Klimaschutzprogramm der österreichischen Bundesregierung werden derzeit ambitionierte politische Rahmenbedingungen geschaffen. Die voestalpine arbeitet intensiv an Forschungs- und Entwicklungsprojekten für Technologien, die eine weitgehend CO2-freie Herstellung von gleichbleibend hochwertigen Produkten und Werkstoffen ermöglichen.

Politisches Umfeld

Die nächste Weltklimakonferenz wurde infolge der Corona-Pandemie auf November 2021 verschoben. Damit ist die konkrete Umsetzung des Pariser Abkommens der Vereinten Nationen aus 2015 auch nach fünf Jahren in wesentlichen Punkten noch ausständig, insbesondere was einen global annähernd einheitlichen, vergleichbaren und fairen Klimaschutzrahmen betrifft. Auf europäischer und nationaler Ebene werden jedoch zunehmend ehrgeizige politische Ziele für die Dekarbonisierung gesteckt, die in energieintensiven Industrien starken Handlungsdruck auslösen.

In der EU steht der im November 2019 von der Kommission initiierte Grüne Deal im Mittelpunkt, der Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent machen soll. Diese Zielsetzung resultiert im Wesentlichen aus der mit dem Pariser Abkommen eingegangenen Verpflichtung, Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent zu reduzieren. Sie soll nun mit einer Reihe legistischer Maßnahmen umgesetzt werden. Durch den Grünen Deal sollen sämtliche mit der nachhaltigen Ausrichtung des Wirtschafts- und Gesellschaftssystems verbundenen Themen aufeinander abgestimmt und in einem europäischen Gesamtkonzept koordiniert werden. Dieser integrierte Ansatz ist grundsätzlich positiv und entspricht auch der langjährigen Position der voestalpine. Die Umsetzung erscheint im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld aber realpolitisch sehr herausfordernd.

Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses CR Reports hat die Kommission bereits Vorschläge für ein EU-weites Klimagesetz mit weitreichendem Durchgriff auf die nationale Ausgestaltung und Umsetzung von Energie- und Klimaplänen sowie für eine langfristige, auf Nachhaltigkeit ausgelegte Industriestrategie vorgelegt. Darüber hinaus sind zeitnah auch kurz- und mittelfristig bedeutende Maßnahmen geplant. So wird gegenwärtig eine markante Verschärfung des 2030-Reduktionsziels für CO2-Emissionen diskutiert. Dies ist wichtig, weil damit der Rahmen für sämtliche Materien der EU-Energie- und Klimapolitik vorgegeben wird.

Sektoren, die dem EU-Emissionshandel (Emission Trading System, ETS) unterliegen wie die Stahlindustrie, haben bereits eine konkrete Reduktionsverpflichtung um 43 % im Vergleich zu 2005 (Start des Zertifikatehandels). Eine wesentliche Frage wird daher sein, wie eine Zielerhöhung im „Effort Sharing“ (Lastenteilung durch anteilige CO2-Verringerung in ETS- und anderen Sektoren wie Verkehr oder Gebäude) berücksichtigt wird.

Während der Emissionshandel auf europäischer Ebene verbindlichen Zielen und Maßnahmen unterliegt, gibt es für andere wesentliche Materien nur einen Rahmen der EU, der von den einzelnen Mitgliedsstaaten unterschiedlich ambitioniert ausgelegt wird. Neben den Richtlinien zum Effort Sharing zählen dazu auch jene zu Staatsbeihilfen, Energiebesteuerung, Energie- und Emissionshandel. Um die nationalen Politiken besser auf die Zielerreichung der Europäischen Union auszurichten, plant die Kommission daher, bis 2021 sämtliche dafür relevanten Klima- und Energievorschriften zu überprüfen und Vorschläge zur Überarbeitung und Umsetzung in den einzelnen Ländern zu erstellen.

Für einen ökologisch geprägten Wiederaufbau des Wirtschaftssystems nach der Corona-Pandemie in Europa wird es entscheidend sein, die bereits davor evidente Wettbewerbsverzerrung und die daraus resultierende Importschwemme von nur bedingt nachhaltig hergestellten Stahlerzeugnissen nach Europa WTO-konform, aber konsequent und dauerhaft politisch zu lösen.

In Deutschland hat die Bundesregierung neben einer Industrie- und Wasserstoffstrategie auch ein „Handlungskonzept Stahl“ beschlossen, das auf sehr konkreter Ebene Unterstützungsmaßnahmen für die Stahlindustrie beim Übergang auf klimaschonende Produktion und zur Schaffung von Märkten für „grünen Stahl“ zum Inhalt hat. In Österreich hat die seit Jänner 2020 amtierende Bundesregierung ein in Bezug auf Klimaschutz sehr ambitioniertes Programm für die Legislaturperiode bis 2024 vorgelegt, das mit einer bis spätestens 2040 angestrebten Klimaneutralität deutlich über die Zielsetzungen des Weltklimavertrages und der Europäischen Union hinausgeht. Sämtliche dafür erforderlichen legistischen Rahmenbedingungen – etwa Ausbau der erneuerbaren Energie, Energieeffizienz, Wasserstoffstrategie – sind gegenwärtig noch ausständig.

Sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene ist die voestalpine direkt und über Interessenvertretungen in engem Dialog mit politischen Entscheidungsträgern, der Wissenschaft, Umweltorganisationen und industriellen Partnern. Die grundsätzliche Position der voestalpine ist unverändert, dass die vom Unternehmen entwickelten Dekarbonisierungs-Szenarien nicht nur technologisch, sondern auch wirtschaftlich darstellbar sein müssen. Dazu braucht es konkret Unterstützung bei Mehrkosten der Transformation (sowohl für Investitionen als auch für den Betrieb), etwa durch eine zweckgebundene Mittelrückführung für Klimaschutzinvestitionen aus dem EU-ETS in die Unternehmen, sowie verfügbare und gegenüber heute günstigere grüne Energie.

EU-Emissionshandel

Das Emissionshandelssystem der EU umfasst rund 11.000 energieintensive Anlagen, vorwiegend in der Stromerzeugung und verarbeitenden Industrie. Die Unternehmen sind verpflichtet, für jede Tonne emittierten Kohlendioxids Zertifikate zu erwerben. Bestimmten Sektoren, die aufgrund weltweit unterschiedlicher Klimaschutzstandards dem Risiko der Produktionsverlagerung („Carbon Leakage“) unterliegen, wird ein bestimmter Anteil an kostenlosen Zertifikaten zugeteilt. Der Zukaufsbedarf (Differenz aus gesamtem Zertifikatebedarf minus zugeteilten Gratiszertifikaten) im voestalpine-Konzern lag 2019/20 wie im Schnitt der Vorjahre bei rund einem Drittel der CO2-Emissionen von 13,6 Mio. Tonnen. Eine ähnliche Größenordnung wird aus heutiger Sicht auch für die kommende Emissionshandelsperiode von 2021 bis 2030 erwartet.

Emissionshandels-zertifikate: Prognose für voestalpine

Zukaufsbedarf Handelsperiode 2021 - 2030 ca. 45 Mio. Zertifikate

Emissionshandels-Zertifikate: Prognose für voestalpine (Tortendiagramm)

Die Emissionshandelsrichtlinie räumt der EU-Kommission allerdings die Möglichkeit ein, periodisch oder auch laufend Eingriffe in das System vorzunehmen, indem wesentliche Parameter für die Gesamtmenge der Zertifikate und damit letztlich für die Preisbildung geändert werden.

Nach einem massiven Preisanstieg für CO2-Zertifikate in den vergangenen beiden Jahren blieb die Entwicklung zuletzt – bei vorübergehend gesunkenem Preisniveau – sehr volatil. Ein wesentlicher Grund dafür war die gesamtkonjunkturelle Abschwächung ab Ende des 1. Kalenderquartals 2020 infolge der Corona-Pandemie. Die langfristigen Preisprognosen bewegen sich wegen der Unsicherheiten über das System an sich (vor allem mögliche Eingriffe und Diskussionen über eine Verschärfung der 2030-Ziele), über die konkrete Ausgestaltung des Grünen Deals und die weitere konjunkturelle Entwicklung innerhalb einer sehr großen Schwankungsbreite. Im voestalpine-Konzern werden Preisverläufe und -prognosen regelmäßig im Sinne des Risikomanagements evaluiert, um bei grundlegenden Veränderungen die Beschaffungsstrategie für CO2-Zertifikate gegebenenfalls anzupassen.

Dekarbonisierung: Das voestalpine-Konzept der Transformation

Die voestalpine bekennt sich zum Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015, die Treibhausgasemissionen bis Mitte dieses Jahrhunderts um mehr als 80 % zu verringern, und verfolgt dazu eine konsequente und langfristige Dekarbonisierungsstrategie.

Umfangreiche Forschungs- und Entwicklungsprogramme – etwa das 2019 erfolgreich in Betrieb genommene und bis 2021 laufende EU-Leuchtturmprojekt H2FUTURE zur Erzeugung von grünem Wasserstoff in industriellem Maßstab – sollen auf lange Sicht die Umstellung von kohle- auf wasserstoffbasierte Stahlerzeugung ermöglichen.

Daneben befasst sich die voestalpine aber auch mit konkreten Zwischenschritten. So wird derzeit ein Hybrid-Konzept – der schrittweise Umstieg von kohlebasierter Hochofen- auf grünstrombasierte Elektrostahlroute – aus wirtschaftlicher und technischer Sicht geprüft, mit dem nach 2030 die CO2-Emissionen der Stahlproduktion in Linz und Donawitz um rund ein Drittel gesenkt werden könnten. Die technologische Herausforderung liegt darin, die gleichbleibend hohe Produktqualität sicherzustellen. Der zusätzliche Bedarf an erneuerbarem Strom für dieses Konzept liegt bei bis zu 3 Terawattstunden, wofür auch die Netzinfrastruktur entsprechend ausgebaut werden muss.

Hybrid-Stahlwerk bis 2030/35

mit HBI als hochwertiges Vormaterial

Hybrid-Stahlwerk bis 2030/35 (Prozessdiagramm)

Im Hybrid-Konzept wird neben Roheisen und Schrott als anspruchsvolles Vormaterial auch Eisenschwamm (Hot Briquetted Iron; HBI) eingesetzt, den die voestalpine bereits in der Direktreduktionsanlage in Texas mit Erdgas herstellt. Dieser Rohstoffmix mit einem erhöhten Anteil von HBI stellt den wesentlichen Innovationsgrad dieser Variante dar. Langfristig sollen dieselben hochwertigen Stahlqualitäten wie heute aus „grünem“ HBI auf Basis von Wasserstoff anstelle von Erdgas sowie mit Schrott erzeugt werden können.

Breakthrough-Technologie

> 80 % CO2-Reduktion bis 2050

Breakthrough-Technologie (Prozessdiagramm)

Voraussetzung für diese Transformation sind jedoch Verfügbarkeit und Leistbarkeit von erneuerbarem Strom. Für die breitflächige Umsetzung CO2-minimierter Technologien wird es letztlich entscheidend sein, diese auch global wettbewerbsfähig betreiben zu können. Der politische Rahmen dafür und damit die wirtschaftliche Darstellbarkeit sind derzeit jedoch noch nicht gegeben.

Parallel zur langfristigen Entwicklung der grundlegend neuen Wasserstoffmetallurgie, die derzeit noch im Entwicklungsstadium ist, betreibt die voestalpine Forschungs- und Entwicklungsprojekte zur wasserstoffbasierten Reduktion von Erzen und zur direkten Herstellung von Rohstahl mittels Wasserstoffplasma.

Darüber hinaus beteiligt sich die voestalpine intensiv an sektorübergreifenden Projekten, die sich mit der wirtschaftlichen und technologischen Darstellbarkeit von CCU (Carbon Capture and Usage) – der Abscheidung von Kohlendioxid und Umwandlung zu Rohstoffen für die chemische und petrochemische Industrie – befassen.

Innovationsprojekte zur langfristigen Dekarbonisierung

Das EU-Leuchtturmprojekt H2FUTURE befasst sich mit der Erzeugung und Nutzbarkeit grünen, das heißt mit erneuerbarem Strom hergestellten, Wasserstoffs mittels so genannter PEM- (Proton Exchange Membrane-) Elektrolysetechnologie in großindustriellem Maßstab.

Dabei entsteht im Gegensatz zum herkömmlichen Verfahren der Erdgasreformierung bei der Aufspaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff kein CO2.

H2FUTURE ist ein Gemeinschaftsprojekt von sechs Partnern aus Österreich, Deutschland und den Niederlanden: VERBUND als Koordinator und Stromlieferant, voestalpine als Betreiber, Siemens als Technologielieferant, Austrian Power Grid (APG) als Übertragungsnetzbetreiber und K1-MET und TNO als wissenschaftliche Partner. Die EU fördert das Demonstrationsprojekt im Rahmen des Fuel Cells and Hydrogen Joint Undertaking (FCH JU) mit 70 % des Gesamtvolumens von rund 18 Mio. EUR, da die Erkenntnisse auch auf andere energieintensive Sektoren, die Wasserstoff langfristig einsetzen können, übertragbar gemacht werden sollen.

Die Versuchsanlage wurde Ende 2019 erfolgreich in Betrieb genommen und wird nun bis 2021 die im Projektauftrag festgelegten Anwendungsfälle testen.

Zudem ist voestalpine unter anderem an „Clean Steel“ beteiligt, einem Public-Private-Partnership-Modell, das aus Forschungsmitteln der EU und Eigenbeiträgen mitwirkender Unternehmen dotiert wird. Gegenstand ist die Erforschung CO2-armer Stahlerzeugungstechnologien im industriellen Maßstab. Die konkrete Ausgestaltung der Modalitäten und die Auswahl der Projekte sind gegenwärtig im Gang.


Über voestalpine

Die voestalpine ist ein in seinen Geschäftsbereichen weltweit führender Stahl- und Technologiekonzern mit kombinierter Werkstoff- und Verarbeitungskompetenz. Die global tätige Unternehmensgruppe verfügt über rund 500 Konzerngesellschaften und -standorte in mehr als 50 Ländern auf allen fünf Kontinenten. Sie notiert seit 1995 an der Wiener Börse. Mit ihren qualitativ höchstwertigen Produkt- und Systemlösungen zählt sie zu den führenden Partnern der Automobil- und Hausgeräteindustrie sowie der Luftfahrt- und Öl- & Gasindustrie und ist darüber hinaus Weltmarktführer bei Bahninfrastruktursystemen, bei Werkzeugstahl und Spezialprofilen. Die voestalpine bekennt sich zu den globalen Klimazielen und arbeitet intensiv an Technologien zur Dekarbonisierung und langfristigen Reduktion ihrer CO2-Emissionen. Im Geschäftsjahr 2019/20 erzielte der Konzern bei einem Umsatz von 12,7 Milliarden Euro ein operatives Ergebnis (EBITDA) von 1,2 Milliarden Euro und beschäftigte weltweit rund 49.000 Mitarbeiter.

Fakten

50 Länder auf allen fünf Kontinenten
500 Konzerngesellschaften und -standorte
49.000 Mitarbeiter weltweit

Ergebnis GJ 2019/20

€ 12,7 Mrd.

Umsatz

€ 1,2 Mrd.

EBITDA

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