Klimaschutz

      Managementsysteme für Soziales, Umwelt und Governance (Foto)

      Die voestalpine befindet sich bereits auf dem Weg zu einer CO2-reduzierten und langfristig klimaneutralen Stahlproduktion im Einklang mit den Zielen des Weltklimaabkommens. Wesentliche Treiber für „grünen Stahl“ sind neben der Politik auch die Kunden. Die Eckpfeiler der voestalpine-Transformation sind verbesserte Verfahrensweisen, neue und innovative Produktionstechnologien auf Basis erneuerbaren Stroms bzw. grünen Wasserstoffs und damit CO2-neutrale Werkstoffe und Produkte.

      Politisches Umfeld

      Die im Corporate Responsibility Report 2020 beschriebenen politischen Weichenstellungen sind weiterhin in Diskussion. Während das 2015 in Paris beschlossene Klimaschutzabkommen der Vereinten Nationen nach wie vor weit von einem global einheitlichen Rahmen entfernt ist, haben sich die politischen Klimaziele in der Europäischen Union und in einzelnen Mitgliedsstaaten wie Österreich zwischenzeitlich nach oben konkretisiert. Mit dem Ende 2019 initiierten „Europäischen Green Deal“ werden die bis 2030 geltenden Ziele zur Emissionssenkung deutlich erhöht. Kommission, Rat und Parlament einigten sich auf eine Verschärfung von bisher 40 % auf mindestens 55 % (jeweils gegenüber 1990). Am 14. Juli 2021 hat die EU-Kommission dazu unter dem Titel „Fit for 55“ ein umfangreiches Paket mit konkreten Rechtssetzungsvorschlägen präsentiert, um die Richtlinien und Verordnungen zum künftigen EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS) und zu Materien wie CO2-Grenzausgleich, Energieeffizienz, Erneuerbaren-Ausbau, Staatsbeihilfen oder Energiebesteuerung auf das neue Ziel auszurichten. Die Kommissionsvorschläge werden nun im Trilog mit dem EU-Parlament und den Mitgliedsstaaten verhandelt. Absehbar ist, dass der Zielwert für die dem EU-ETS unterliegenden Sektoren wie die Stahlindustrie zur Emissionssenkung bis 2030 von 43 % auf 61 % gegenüber 2005 erhöht werden wird und die geplante Verknappung von Zertifikaten in Kombination mit dem intendierten Auslaufen der Gratiszuteilung bei zeitgleicher Einführung eines Grenzausgleichsmechanismus zu einer signifikanten Kostensteigerung führen wird. Die konkreten Auswirkungen auf die voestalpine werden zum Zeitpunkt der Erstellung des CR Reports im Detail evaluiert. Die österreichische Bundesregierung sieht ihrer­seits Klimaneutralität bereits bis „spätestens 2040“ vor und damit um ein Jahrzehnt früher als die EU. Die dazu im Berichtszeitraum diskutierten bzw. auf den Weg gebrachten Beschlüsse betreffen das Erneuerbaren-Ausbaugesetz (EAG) und ein neues Klimaschutzgesetz. Zudem hat sich die Bundesregierung im Herbst 2020 auf eine Novelle des Emissionszertifikategesetzes (EZG) geeinigt, das die Rückführung nationaler Versteigerungserlöse aus dem EU-ETS in die Unternehmen für konkrete Dekarbonisierungsschritte regeln soll. Voraussetzung für das Erreichen der ambitionierten Klimaziele ist zum einen die budgetäre Bedeckung der nationalen Finanzierung und der euro­päischen Kofinanzierung. Zum anderen muss grüne Energie in ausreichender Menge verfügbar und kostengünstig sein, damit energieintensive Industrien ihre Emissionen im erforderlichen Ausmaß reduzieren und dabei gleichzeitig wettbewerbsfähig bleiben können. Sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene ist die voestalpine daher direkt und über Interessenvertretungen in engem Dialog mit politischen Entscheidungsträgern, der Wissenschaft, Umweltorganisationen und industriellen Forschungs- und Entwicklungspartnern. Zusätzliche Transparenz wurde durch die Eintragung in die einschlägigen nationalen und europäischen Interessenvertretungsregister geschaffen (Österreich: LIVR-00925, EU: 189510925414-06).

      EU-Emissionshandel

      Das Emissionshandelssystem der Europäischen Union (EU-ETS) umfasst rund 11.000 energieintensive Anlagen, vorwiegend in der Stromerzeugung und verarbeitenden Industrie, und gibt derzeit den Rahmen für die Dekarbonisierung bis 2030 vor. Damit ist es auch zentrale Planungsprämisse der voestalpine für konkrete Umsetzungsschritte. Dem EU-ETS unterliegende Sektoren müssen für jede Tonne emittierten Kohlendioxids ein Zertifikat erwerben, das am Markt zu ersteigern ist und dessen Erlöse in die jeweiligen nationalen Budgets fließen. Die Mittel sollen zweckgewidmet für solche Projekte eingesetzt werden, die einen Beitrag zur Energie- und Klimawende leisten. Diese „Kann-Bestimmung“ im EU-ETS wird allerdings in den einzelnen Mitgliedsländern unterschiedlich gehandhabt.

      Um das Risiko der Produktionsverlagerung aufgrund weltweit unterschiedlicher Klimaschutzstandards („Carbon Leakage“) zu verringern, erhalten betroffene Sektoren einen bestimmten Anteil an kostenlosen Zertifikaten. Die Stahlindustrie wird von der EU-Kommission als Sektor mit dem höchstem Carbon Leakage-Risiko eingestuft. Theoretisch soll den 10 % der gemessen an EU-Benchmarks „besten“ Anlagen eine 100 %-ige kostenfreie Zuteilung gewährt werden. In der Praxis ist es jedoch deutlich weniger: Der Zukaufbedarf des voestalpine-Konzerns (Differenz aus gesamtem Zertifikatebedarf abzüglich zugeteilter Gratiszertifikate) lag im Geschäftsjahr 2020/21 wie bereits im Schnitt der Vorjahre bei rund einem Drittel der gesamten CO2-Emissionen von rund 12 Mio. Tonnen.

      Die dem EU-ETS zur Verfügung stehende Gesamtmenge an Emissionshandelszertifikaten soll bis 2030 schrittweise verringert werden, wobei neben einer linearen Reduktion jederzeit auch weitere Änderungen des Handelssystems möglich sind. Diese Unwägbarkeit erschwert die Planbarkeit und Prognosen, nicht zuletzt zur Preisentwicklung der Zertifikate.

      Dekarbonisierung: Das voestalpine-Konzept der Transformation

      Wie in früheren CR Reports bereits dargestellt, verfolgt die voestalpine einen umfassenden Plan zur Dekarbonisierung ihrer Stahlproduktion. Bis 2030 soll der erste Meilenstein erreicht sein, nämlich eine Senkung der prozessbedingten CO2-Emissionen um rund 30 %, das entspricht drei bis vier Millionen Tonnen pro Jahr. (Referenzvergleichswert sind rund 12 Mio. t direkter CO2-Emissionen der voestalpine in Österreich im Jahr 2019.)

      Bis 2050 wird eine CO2-neutrale Produktion durch den vollständigen Ersatz von Kohle als Reduktionsmittel durch erneuerbaren Strom und grünen Wasserstoff angestrebt. Die Dekarbonisierung erfolgt nicht linear, sondern in Stufen bei gleichzeitiger Verfahrensoptimierung bestehender Technologien.

      Kurzfristig kann beispielsweise in der Rohstahlproduktion für Flachprodukte ein Potenzial zur Reduktion der direkten CO2-Emissionen um bis zu 10 %, vor allem durch Optimierung von Einsatzstoffen und Reduktionsmitteln, gehoben werden. Da eine CO2-optimierte Fahrensweise typischerweise mit Mehrkosten verbunden ist, werden dazu auch valide Geschäftsmodelle entwickelt.

      greentec steel: Das innovative Hybrid-Konzept

      Bis 2030 soll durch das Projekt ,,greentec steel“ schrittweise von der kohlebasierten Hochofen- auf eine grünstrombasierte Elektrostahlroute umgestellt werden. Die Produktqualitäten sollen dabei unverändert hoch bleiben. Dieser Umstieg soll nicht nur signifikante CO2-Einsparungen ermöglichen, sondern vor allem die wasserstoffbasierte Dekarbonisierung bis 2050 vorbereiten.

      Hybrid-Stahlwerk bis 2030

      mit HBI als hochwertiges Vormaterial

      Hybrid-Stahlwerk bis 2030 (Prozessdiagramm)

      Allein der Ersatz je eines Hochofens in Linz und Donawitz durch Elektroöfen als erster Umstellungsschritt erfordert Investitionen von etwa einer Milliarde Euro. Diese Aufwendungen und die höheren Betriebskosten durch grünen Strom können nicht vom Unternehmen alleine getragen werden. Förderprogramme wie der EU-ETS-Innovationsfonds können dazu beitragen, diesen Mehraufwand abzufedern. So hat die voestalpine das Projekt greentec steel zur Förderung eingereicht. Es wurde in der ersten Stufe des Verfahrens im März 2020 positiv bewertet. Eine weitere Unterstützungsmöglichkeit stellt das Förderprogramm IPCEI (Important Projects of Common European Interest) dar, das zur Stärkung europäischer Wertschöpfungsketten eingerichtet wurde.

      Neben der technologischen Machbarkeit stellt die Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien in ausreichender Menge und zu konkurrenzfähigen Preisen bzw. deren Verteilung über leistungsfähige Netze eine Grundvoraussetzung für die Dekarbonisierung der Stahlproduktion dar. Dies gilt sowohl für die Umsetzung einer Hybridtechnologie unter Einsatz von Elektrolichtbogenöfen als auch für eine langfristige Technologietransformation auf Basis von grünem Wasserstoff. Für den bis 2030 zur Elektrifizierung erforderlichen Ausbau der Strominfrastruktur im Zentralraum Oberösterreich (Erweiterung von 110 kV- auf 220 kV-Leitungen) erfolgt ein Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren seitens des österreichischen Übertragungsnetzbetreibers APG (Austrian Power Grid).

      Zukunftsvision grüner Wasserstoff

      Wasserstoffbasierte Stahlerzeugung

      CO2-neutrale Produktion bis 2050

      Wasserstoffbasierte Stahlerzeugung (Prozessdiagramm)

      Die vollständige Umstellung von Kohlenstoff auf Wasserstoff als Reduktionsmittel in Linz und Donawitz sowie bei der DRI-Anlage in Texas erfordert rund die 500-fache Menge Wasserstoff gegenüber der Kapazität der Pilotanlage H2FUTURE.

      Daran zeigt sich, dass zwei Faktoren entscheidend für die Umsetzbarkeit der Dekarbonisierung sein werden: die Erforschung und Entwicklung einer Prozesstechnik, die für die Großindustrie skalierbar ist und die kontinuierliche und gesichert stabile Versorgung mit grüner Energie zu konkurrenzfähigen Preisen. Erzeugung und Verteilung werden nur im gesamteuropäischen Verbund realistisch umsetzbar sein.

      Forschungs- und Entwicklungs-Highlights

      Um die langfristig wasserstoffbasierte Stahlerzeugung in technologischer Sicht vorzubereiten, arbeitet die voestalpine derzeit mit indus­triellen und wissenschaftlichen Partnern intensiv an Forschungs- und Demonstrationsprojekten. Neben H2FUTURE, der weltgrößten PEM-Elektrolyseanlage am Standort Linz zur Erzeugung und Nutzung grünen Wasserstoffs, laufen am Konzernstandort Donawitz zwei grundlegende Projekte: Zum einen wird im Rahmen von „SuSteel“ (Sustainable Steelmaking) an einer Technologie zur direkten Stahlherstellung aus Eisenerz geforscht. Durch eine Schmelzreduktion von Erzen mittels Wasserstoffplasma wird hier Stahl ohne Roheisenstufe erzeugt. Zum anderen wird mit „Hyfor“ (Hydrogen-based Fine Ore Reduction) an einem Verfahren zur Reduktion von ultrafeinen Eisenerzen in einer Wirbelschicht mittels Wasserstoff gearbeitet. Dazu wird gerade eine Versuchsanlage errichtet. Die wirtschaft­liche Darstellbarkeit und Verfügbarkeit der nötigen Infrastruktur vorausgesetzt, soll die vollumfängliche Umstellung auf grünen Wasserstoff bis 2050 erfolgen.

      Zudem hat die voestalpine einen großtechnisch realisierbaren Prozess zur Unterstützung einer CO2-neutralen Stahlproduktion ohne den Einsatz von fossilem Kohlenstoff entwickelt und dafür das Schutzrecht vom Europäischen Patentamt erhalten. Das Patent gilt in allen wesentlichen Stahl produzierenden Ländern Europas und ermöglicht die Herstellung von Eisenschwamm (DRI oder HBI) im Direktreduktionsprozess mittels grünem Wasserstoff und Biogas.