Grundlage für die Nachhaltigkeitsbewertung sind solide und belastbare Daten. Sie ermöglichen eine transparente und objektivierbare Information über die Nachhaltigkeit von Produkten gegenüber Geschäftspartnern, Investoren, Verbänden, Nichtregierungsorganisationen, Öffentlichkeit und öffentlichen Stellen. Diese Stakeholder verwenden für die einzelnen Parameter höchst unterschiedliche Bewertungs- und Zertifizierungssysteme. Für einen global agierenden Technologiekonzern in unterschiedlichen Sparten stellt dies eine große administrative Herausforderung dar. Daher liegt ein Fokus der voestalpine-Aktivitäten auf der Mitgestaltung des rechtlichen Rahmens der Produktnachhaltigkeit, etwa in der Gesetzgebung, der Formulierung von Normen, der Standardisierung von Methodiken etc.
Für eine ganzheitliche Produktbetrachtung und -bewertung sind ökologische, soziale und ökonomische Aspekte zu beachten und miteinzubeziehen – und zwar jeweils über den gesamten Lebenszyklus der Produkte hinweg, von der Rohstoffentnahme bis hin zu Wiederverwertung und Recycling.
Produktnachhaltigkeit (Product Sustainability) umfasst damit alle drei Säulen der Nachhaltigkeit entlang der gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette, wenngleich die Anforderungen derzeit einen Schwerpunkt in Richtung ökologischer Aspekte setzen.
Ökologische Aspekte
- Lebenszyklusbetrachtungen (Life Cycle Assessment, LCA) zur Ermittlung der Umweltauswirkungen („Fußabdrücke“) der Produkte der voestalpine, wie beispielsweise eines Carbon Footprints oder Water Footprints und Bereitstellung verifizierter Ökobilanzen in der Form von Umweltproduktdeklarationen (Environmental Product Declaration, EPD)
- Material Compliance: Informationen zum Umgang mit relevanten Substanzen und Nachweisführung zur Einhaltung der entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen, z.B. REACH (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals), RoHS-Richtlinie (Restriction of Hazardous Substances), GADSL (Global Automotive Declarable Substance List) und die EU-Richtlinie für Altfahrzeuge.
- Circular Economy: Entwicklung und Schliessung von Stoff-, Material- und Wertschöpfungskreisläufen zur Steigerung der Ressourcen- und Energieeffizienz (z.B. Einsatz von Abfall- und Kreislaufstoffen aus der Stahlproduktion, Aufbau von Wertstoffkreisläufen – Produkt und Sekundärrohsstoffe in der Lieferkette).
Soziale Aspekte
- Offenlegung und Transparenz zur Verwendung sogenannter Konfliktmineralien entlang der gesamten Lieferkette gemäß dem Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act. Die voestalpine verwendet das international standardisierte und anerkannte RMI/CMRT (Conflict Minerals Reporting Template) auf Basis der Informationen aus der vorgelagerten Lieferkette.
Ökonomische Aspekte
- Bereitstellung von soliden und belastbaren Informationen für verschiedene Bewertungs- und Zertifizierungssysteme, die in der Lieferkette in Entscheidungsprozesse miteinbezogen und bis zum Endverbraucher als Informationsträger genutzt werden können.
Ökologische Produktbewertung: LCA im voestalpine-Konzern
Life Cycle Assessment ist ein methodisches Werkzeug, um Umweltauswirkungen von Produkten systematisch zu ermitteln. Dabei werden stets mehrere Wirkungskategorien betrachtet, etwa der Carbon Footprint (CO2), Versauerungspotenziale (SO2, NOx), der Primärenergiebedarf, aber auch der Land- und Ressourcenverbrauch.
Während bei Produkten für Endkonsumenten typischerweise die Systemgrenzen mit „Cradle-to-Grave“ – sämtliche Lebensphasen einschließlich Distribution, Nutzung und Entsorgung der betreffenden Produkte – angesetzt werden, gilt für Industrieprodukte in der Regel der „Cradle-to-Gate“-Ansatz, weil die Produkte außerhalb der eigenen Werkstore noch zu Endprodukten weiterverarbeitet werden. So handhabt das auch die voestalpine in den meisten Fällen. Die Ergebnisse einer solchen Analyse können vom industriellen Kunden genutzt werden, um eine vollständige Lebenszyklusanalyse für sein spezifisches Produkt zu berechnen.
In einer LCA-Betrachtung von voestalpine-Produkten wird auch das Potenzial durch Recycling ausgewiesen, weil dadurch neue Primärproduktion vermieden wird. Ein typisches Beispiel dafür ist Stahlschrott (etwa aus Altkarosserien), der in der Produktion von Stahl ein wichtiger Rohstoff ist und in den Prozessen wieder zu hochwertigen Produktqualitäten verarbeitet werden kann.
Ein wichtiges Instrument sind Umweltproduktdeklarationen (Environmental Product Declarations, EPDs): Sie liefern transparente und neutrale Informationen zu den Umweltauswirkungen eines Produkts auf Basis einer Ökobilanz. Die voestalpine hat bereits EPDs für verschiedene Produkte wie z.B. colofer®, Grobblech und walzplattiertes Grobblech sowie feuerverzinktes Stahlband erstellt und veröffentlicht. Sie basieren auf den Normen EN15804 und ISO14025, wurden von unabhängigen Prüfern verifiziert und im Deklarationsprogramm des Instituts Bauen und Umwelt e.V. (IBU) veröffentlicht.
Weitere Informationen und Daten zur nachhaltigen Produktbewertung, die voestalpine ihren Kunden regelmäßig zur Verfügung stellt, dienen etwa als Vorkettendaten für Produkte der Kunden, als Grundlage für verschiedene Zertifizierungssysteme für nachhaltige Gebäude, für das Supply-Chain-Reporting (z.B. CDP, Carbon Disclosure Project), für internationale produktbezogene Standards (z.B. BES6001 – Framework Standard for Responsible Sourcing) oder für nationale Initiativen wie die Umweltdatenbank in den Niederlanden.
Herausforderung Dekarbonisierung
Die langfristige Dekarbonisierung des Wirtschafts- und Gesellschaftssystems spielt auch in der ökologischen Produktbetrachtung eine wichtige Rolle, besonders im Kontext der „Circular Economy“, einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft unter Betrachtung von Wertschöpfungsketten. Auch die EU-Gesetzgebung adressiert das Thema, etwa durch verschärfte Emissionsgrenzwerte bis 2030 und darüber hinaus.
Im Automobilsektor steht in diesem Zusammenhang etwa die Betrachtung von Emissionen über den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs (Life Cycle Emissions) zur Diskussion. Die voestalpine arbeitet hier intensiv mit ihren Kunden zusammen, um sowohl den Beitrag des Werkstoffs Stahl als auch langfristige Konzepte zur CO2-minimierten Stahlerzeugung darzustellen und gemeinsame Potenziale über die Wertschöpfungskette zu erheben.
Ein Thema von konzernweiter Bedeutung
Die voestalpine betrachtet Corporate Responsibility und Product Sustainability als wesentliche Aspekte der Nachhaltigkeit des Unternehmens und seiner Produkte und strebt nach einer koordinierten und intensiven Zusammenarbeit der Unternehmensbereiche auf diesem Gebiet. Den Auftakt zu konkreten Maßnahmen bildete im April 2019 der erste Product-Sustainability-Workshop: An dem Arbeitstreffen zum Informationsaustausch nahmen Vertreter aller Divisionen und zahlreicher operativer Gesellschaften sowie Verantwortliche aus den Bereichen Strategie, Forschung, Verkauf, Corporate Responsibility, Umweltmanagement und Kommunikation teil.
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