Brief des Vorstandes

Sehr geehrte Damen und Herren, (Handschrift)

es war letztlich ein gutes Jahr, das Geschäftsjahr 2010/11, an dessen Beginn noch große Zweifel standen, ob nicht doch noch der „double dip“ – der Rückfall in die Krise der Jahre 2008 und 2009 – kommt. Er ist nicht gekommen, im Gegenteil, die Konjunktur hat im Jahresverlauf immer mehr und auf immer breiterer Basis an Dynamik gewonnen. Selbst eine bedrohlich angewachsene Staatsverschuldung in einer Reihe europäischer Länder, vor allem aber in den USA, anhaltende Diskussionen über die Belastbarkeit des internationalen Bankensystems, zunehmende Ängste vor neuen „Blasen“ und eine in ihrer Problemlösungskompetenz überforderte Politik sowohl auf europäischer Ebene als auch in den meisten Nationalstaaten konnten den Aufschwung nicht verhindern. Getragen wurde er einmal mehr weitaus überwiegend vom ungebrochenen Bedarf der aufstrebenden asiatischen sowie zentral- und südamerikanischen Volkswirtschaften. Erst über positive Sekundäreffekte, nämlich die Exportstärke ihrer Industrie in Richtung dieser Wachstumsmärkte, haben sowohl Europa als auch die USA mit erheblicher Verzögerung Anschluss an den Aufschwung gefunden, der nicht überall, aber doch in großen Teilen auch des alten Kontinents inzwischen selbsttragenden Charakter hat.

Für den voestalpine-Konzern brachte dieses erfreuliche konjunkturelle Umfeld nur zwei Jahre nach „Lehman“ mit all seinen negativen Konsequenzen die Rückkehr auf den Erfolgskurs der Zeit vor der „Krise“: Der zweithöchste Umsatz in der Unternehmensgeschichte, das viertbeste operative Ergebnis und eine Rekordstahlerzeugung von 7,7 Mio. Tonnen machen deutlich, dass die Zeit der Defensive vorbei ist und wir allen Grund haben, wieder mit Optimismus in die Zukunft zu schauen. Gemeinsam mit unseren Partnern, unseren Kunden und Aktionären, insbesondere aber unseren Mitarbeitern – ohne die eine auf permanente Innovation und ständiges Streben nach Verbesserung ausgerichtete Unternehmensstrategie von vornherein zum Scheitern verurteilt wäre –, hat sich der voestalpine-Konzern eine eigene, von unseren Konkurrenten differenzierte Positionierung erarbeitet. Forschung und Entwicklung, Technologie, Qualität, Service und Kundennähe prägen die Grundausrichtung des Konzerns – Berechenbarkeit und Verlässlichkeit, gleichzeitig aber Beweglichkeit im Denken und Handeln sowie Lösungskompetenz und Verantwortung im Umgang mit allen Stakeholdergruppen prägen das Selbstverständnis. Damit haben wir in den letzten Jahren eine Spitzenposition im Bereich der Stahlerzeugung, gleichermaßen aber auch der Stahlverarbeitung erreicht. Jetzt geht es darum, diese Position im Sinne des Anspruchs „einen Schritt voraus“ nachhaltig abzusichern.

Erfolg ist jedenfalls rasch vergänglich, vor allem wenn man sich zu sehr auf Erreichtes verlässt. Gerade in einer Zeit enormer technischer, sozialer und ökonomischer Veränderungen und eines massiven gesellschaftlichen und gesellschaftspolitischen Paradigmenwechsels auch in Europa erachten wir es als unsere Verpflichtung, uns mit den sich abzeichnenden Veränderungen und damit einhergehenden Perspektiven und Herausforderungen für unsere Industrie zu befassen. Wir werden entscheiden, wie wir den voestalpine-Konzern langfristig ausrichten, um auch in einem künftig stark veränderten globalen Umfeld nachhaltig erfolgreich zu bleiben. Wir sind in der bevorzugten Lage, dies aus einer Position der Stärke tun zu können – und wir werden es systematisch und konsequent tun.

Diese „Welt von morgen“ zu verstehen, vor allem die geänderten Bedürfnisse unserer Kunden, die sich wandelnden Wertmaßstäbe unserer (künftigen) Mitarbeiter, die Anforderungen des Umfelds der Zukunft besser kennenzulernen, ist eine Aufgabe, der wir uns in den nächsten zwei, drei Jahren stellen werden. Daraus die richtigen Schlussfolgerungen für unser Unternehmen abzuleiten, erfordert einerseits Gelassenheit und Besonnenheit, andererseits aber auch Mut, Konsequenz und die Bereitschaft zu einem neuen Denken. Unter dem Motto „voestalpine 2030“ haben wir einen breiten internen Meinungs- und Bewusstseinsbildungsprozess eingeleitet, der sich – bewusst über traditionelle Planungshorizonte hinausgehend – mit den langfristigen Perspektiven des Konzerns vor dem Hintergrund der neuen Herausforderungen befassen wird. Aufbauend auf den bestehenden Stärken und der heutigen Positionierung unseres Unternehmens stehen bei diesem Prozess einerseits langfristige Wachstumspotenziale durch die Forcierung neuer Produkte, Technologien und Absatzmärkte im Zentrum der Überlegungen, andererseits aber auch die aus den globalen Megatrends resultierenden Anforderungen aus unserem ökonomischen und politischen Umfeld. Die Zielsetzung dieses Prozesses liegt letztendlich darin, unseren Kunden, Aktionären und Mitarbeitern auch in einem künftig zweifellos instabileren, kurzlebigeren und unberechenbareren globalen Umfeld der gewohnt berechenbare, vertrauenswürdige und innovative Partner zu bleiben.

Operative Exzellenz und strategische Konsequenz werden in jedem Fall auch in Zukunft die Grundlagen unserer langfristigen Ausrichtung bilden.

 

Linz, 26. Mai 2011

Der Vorstand

Wolfgang Eder

Robert Ottel

Franz Hirschmanner

Franz Rotter

Josef Mülner

Wolfgang Spreitzer

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