Wirtschaftliches Umfeld und Geschäftsverlauf

      EUROPA

      Die wirtschaftliche Dynamik hat sich im 1. Halbjahr 2023/24 weiter abgeschwächt. Vor allem in der zweiten Hälfte des Berichtszeitraums wurde das Gesamtbild in Europa spürbar negativer. Die anhaltenden Leitzinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) machen sich zunehmend in geringerer Kreditvergabe bemerkbar. Investitionen im Privatsektor sowie in der Industrie erfolgten auf sehr niedrigem Niveau. Gerade der Einbruch des Wohnbaus ist eine direkte Konsequenz der markanten Leitzinserhöhungen. Die schwache Nachfrage nach Sachgütern zeigt zunehmend negative Auswirkungen auf die Industrieproduktion.

      Während der Dienstleistungssektor über weite Strecken des 1. Halbjahres 2023/24 eine robuste Entwicklung zeigte, musste auch dieser Bereich gegen Ende der Berichtsperiode erste Abwärtstendenzen hinnehmen.

      Den Bestrebungen der EZB, mit markanten Zinserhöhungen den Preisauftrieb einzuschränken, wirkte die Entwicklung der Energiepreise entgegen. Da diese im 2. Quartal 2023/24 wieder angestiegen sind, sanken die Inflationsraten nicht so stark wie erwartet.

      Für die voestalpine bedeutete dieses wirtschaftliche Umfeld im 1. Halbjahr 2023/24 eine rückläufige Nachfrage aus den Sektoren Bau, Maschinenbau, Konsumgüter und der Investitionsgüterindustrie. Vor allem der Bereich Werkzeugbau, der von der High Performance Metals Divison mit Werkzeugstahl beliefert wird, verbuchte eine sehr schwache Nachfrage. Gleichzeitig war dieser Markt von hohen Importen aus Asien und hier speziell aus China geprägt.

      In der Automobilindustrie war die Entspannung der globalen Lieferkettensituation spürbar und spiegelte sich in einer verbesserten Produktion wider. Auch aus der Energieindustrie konnte eine gute Nachfrage verzeichnet werden. Die Eisenbahn- und die Luftfahrtindustrie entwickelten sich gegen den gesamtwirtschaftlichen Trend weiterhin sehr gut.

      USA/NORDAMERIKA

      Im 1. Halbjahr 2023/24 hat sich das Wirtschaftswachstum zwar verlangsamt, die US-Wirtschaft blieb aber weiter auf Wachstumskurs. Das 2. Quartal 2023/24 wuchs sogar überraschend stark, was eine deutliche Erhöhung der Prognose für das gesamte Jahr zur Folge hatte. Zwar waren einzelne Sektoren wie die Bauindustrie mit Rückgängen konfrontiert, allerdings nicht auf breiter Front und nicht so stark wie befürchtet. Andere für die voestalpine relevante Sektoren zeigten sich robust.

      In den USA zeigte die Geldpolitik der FED (Federal Reserve, Notenbank der USA), die früher als die EZB mit Erhöhungen des Leitzinses begonnen hat, ihre Wirkung. Die daraus resultierenden positiven Effekte auf die Inflation waren daher bereits im 1. Halbjahr 2023/24 sichtbar. In diesem Umfeld zeigte sich der Privatkonsum ungebrochen stabil. Auch die Arbeitslosigkeit verblieb auf sehr niedrigem Niveau.

      Die Nachfrage nach Produkten der voestalpine blieb – trotz Rückgängen in einzelnen Segmenten – insgesamt zufriedenstellend. Positive Impulse kamen vor allem aus der Energie- und Eisenbahnindustrie, aber auch aus dem Luftfahrtsektor. Der Investitionsgüterbereich verlor etwas an Dynamik, entwickelte sich aber besser als der europäische Markt.

      BRASILIEN/SÜDAMERIKA

      Brasilien war wesentlich früher als Nordamerika und Europa mit hoher Inflation konfrontiert, worauf die brasilianische Notenbank mit restriktiver Zinspolitik reagierte. Brasilien hat den Höhepunkt der Inflation im 1. Halbjahr 2023/24 bereits überwunden, die brasilianische Nationalbank begann im 2. Quartal 2023/24 die Leitzinsen bereits wieder zu senken.

      Die brasilianische Wirtschaft zeigte sich in diesem Umfeld im 1. Halbjahr 2023/24 sehr robust. Treiber dieser Dynamik, die gegen Ende des 2. Quartals 2023/24 abflachte, war unter anderem eine Rekordernte, die wiederum in einer hohen Produktion von Nahrungsmitteln resultierte. Darüber hinaus verbuchte die Öl- und Gasindustrie eine global hohe Nachfrage. Die hohen Lohnzuwächse lösten außerdem einen robusten privaten Konsum aus.

      Die Entwicklung der brasilianischen Wirtschaft spiegelt sich auch in der Performance der voestalpine-Standorte wider. So steigerte der Boom im Photovoltaiksektor die Nachfrage nach Spezialprofilen. Vom international hohen Bedarf an Produkten für die Öl- und Gasindustrie profitierte die Herstellung von Spezialstählen.

      CHINA/ASIEN

      Nach dem Ende der strengen COVID-Lockdown-Maßnahmen Anfang 2023 trat der erwartete Aufschwung in der chinesischen Wirtschaft ein. Allerdings schwächte sich der Wachstumsimpuls bereits zu Beginn des 1. Halbjahres 2023/24 wieder ab. Ein Hauptgrund waren die anhaltenden Probleme im chinesischen Immobiliensektor, die zu einem massiven Rückgang in der Bauwirtschaft führten. In weiterer Folge waren die Bauzulieferindustrie und die Stahlindustrie von diesem Abschwung betroffen. Zeitversetzt wirkten sich die Probleme im Immobiliensektor auch negativ auf die Hausgeräteindustrie aus, wo sich die Nachfrage nach Waschmaschinen, TV-Geräten und Ähnlichem deutlich einbremste. Darüber hinaus beeinflusste die schlechte Stimmung im Verlauf des 1. Halbjahres 2023/24 den Privatkonsum und belastete somit die Konsumgüterindustrie sowie den Dienstleistungssektor.

      Um dieser negativen Entwicklung entgegenzuwirken, senkte die chinesische Zentralregierung die Zinsen und lockerte die Regulierungen im Immobilienbereich. Diese Maßnahmen konnten die Lage zwar weitgehend stabilisieren, lösten aber keine umfangreiche Trendumkehr aus. Trotzdem befindet sich die chinesische Wirtschaft weiterhin im Wachstumsmodus, wenngleich die Wachstumsraten deutlich unter jenen der Vergangenheit und unter den Erwartungen liegen.

      Eine besondere Situation ergab sich in der chinesischen Stahlindustrie. Obwohl der Baubereich, der größte stahlverbrauchende Wirtschaftssektor, schwach ist und weniger Stahl nachfragt, produzierten chinesische Stahlhersteller auf Rekordniveau und setzten das Material auf den internationalen Exportmärkten ab. Diese bereits in der Vergangenheit gängige Praxis führte zu massivem Druck auf die internationalen Stahlmärkte.

      Vor diesem Hintergrund haben die chinesischen voestalpine-Standorte gut performt. Allerdings hatte vor allem der aggressive Export von chinesischem Werkzeugstahl negative Auswirkungen auf die europäischen Standorte der High Performance Metals Division.