Die makroökonomische Entwicklung war im 1. Halbjahr 2018/19 ohne Zweifel vor allem durch den von den USA begonnenen globalen Handelskonflikt geprägt. Neben China, dem Hauptadressaten der bisherigen protektionistischen Maßnahmen, sowie einer Reihe anderer Länder haben die Vereinigten Staaten aber auch bisherige Bündnispartner wie Europa vor den Kopf gestoßen und selbst den engsten Nachbarn Kanada und Mexiko durch Aufkündigung der NAFTA-Vereinbarung unmissverständlich klargemacht, dass es ihnen um mehr als bloße Vertragskorrekturen geht. In diesem Umfeld haben sich die für den voestalpine-Konzern wesentlichen Volkswirtschaften durchaus unterschiedlich entwickelt.
Europa
Von den protektionistischen Bestrebungen der USA – jedenfalls bisher – relativ unbeeindruckt entwickelte sich das Wirtschaftsgeschehen im 1. Halbjahr 2018/19 in Europa. Insbesondere die innereuropäische Nachfrage stellte sich in den meisten Ländern und Branchen auf solidem Niveau dar und war damit Träger einer über nahezu den gesamten Zeitraum weiterhin starken Wachstumsdynamik.
Erst im Verlauf des 2. Quartals 2018/19 deuteten tendenziell leicht sich abschwächende Wachstumsraten bzw. auch sinkende ökonomische Stimmungsindikatoren wie der PMI Composite oder der EU-Sentiment-Indikator auf eine gewisse Verlangsamung des weiteren Wirtschaftswachstums hin.
In diesem in Europa insgesamt nach wie vor soliden Umfeld des 1. Halbjahres 2018/19 hat allerdings neben dem Brexit-belasteten Großbritannien auch die deutsche Wirtschaft eine etwas schwächere Entwicklung genommen. Hauptgrund dafür war neben insgesamt moderateren Handelsumsätzen und rückläufigen Exporten eine deutlich gedämpfte Performance der Automobilindustrie vor allem infolge von Umstellungsproblemen auf das neue Emissionstestverfahren WLTP. Aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Relevanz der Automobilindustrie für den Standort Deutschland wirkte sich deren schwächere Entwicklung deutlich auf die Industrieproduktionsstatistiken aus.
Die voestalpine profitierte in den ersten Monaten des bisherigen Geschäftsjahres von einer ansonsten soliden Nachfrage quer durch alle Branchen. Insbesondere der Baubereich, aber auch der Maschinenbau waren durch eine anhaltend starke Nachfrage in ganz Europa geprägt, im Vergleich zu den Vorquartalen zeigte sich auch der Eisenbahnbereich in seiner Dynamik verbessert, allerdings weitgehend beschränkt auf die Mengenseite, die Preisseite hingegen hinkt nach wie vor hinterher.
Die durch die neuen Abgastests bedingten Verwerfungen in der Automobilindustrie schlugen gegen Ende des 1. Halbjahres in Form von etwas reduzierten Mengenabnahmen auch auf den voestalpine-Konzern durch. Auch die bislang eher aus einer Beobachterrolle wahrgenommenen Veränderungen der internationalen Handelsströme durch eine zunehmende protektionistische Wirtschaftspolitik in immer mehr Ländern zeigten Ende des 1. Halbjahres 2018/19 erstmals negative Auswirkungen etwa auf die Preisgestaltung bei Werkzeugstählen in Europa.
Nordamerika
Die Wirtschaftsentwicklung in Nordamerika stellte sich im 1. Halbjahr 2018/19 alles in allem ungebrochen stark dar. Das Konsumentenvertrauen blieb anhaltend hoch und auch das generelle Wirtschaftsklima zeigte sich unbeeindruckt von den jüngsten Handelskonflikten, was nicht zuletzt auf die stabil hohe Inlandsnachfrage zurückzuführen ist. Dies vor allem vor dem Hintergrund einer Arbeitslosenrate, die so niedrig ist wie zuletzt 1969, was auch nach langer Zeit wieder für wachsende Haushaltseinkommen in den USA sorgt. Nicht zuletzt hat das kürzlich unterzeichnete neue Handelsabkommen mit Kanada und Mexiko (USMCA) die breite Verunsicherung seit der Kündigung des NAFTA-Abkommens beendet und damit das Vertrauen in eine positive Wirtschaftsentwicklung weiter gestärkt.
Die mit Juni 2018 in Kraft gesetzten Strafzölle zur Wahrung der Nationalen Sicherheit (Section 232) haben der US-amerikanischen Stahlindustrie zu einem massiven Preisauftrieb verholfen. Der Widerstand der verarbeitenden Industrie blieb bisher überschaubar, wohl auch aufgrund der Ende letzten Jahres umgesetzten Steuerreform und der damit verbundenen deutlichen Senkung der Unternehmenssteuern.
Von diesem ausgesprochen positiven wirtschaftlichen Umfeld konnte der voestalpine-Konzern durch eine hervorragende Nachfrage im Bereich der Luftfahrtindustrie, der Lagertechnik sowie generell im Bereich der Bauwirtschaft profitieren. Dies gilt auch für den Bereich Eisenbahninfrastruktur, wo sich nach einer noch im Vorjahr moderaten Nachfrage aktuell wieder deutliche Belebungstendenzen ergeben. Im Gegensatz dazu konnte der Öl- und Gassektor, der im 1. Halbjahr 2018/19 grundsätzlich eine sehr erfreuliche Nachfrageentwicklung zeigte, aufgrund der US-Strafzölle seitens des voestalpine-Konzerns nicht in der vollen Dynamik genutzt werden. In der Automobilindustrie, die sich in Nordamerika zwar leicht rückläufig, insgesamt aber noch immer auf hohem Niveau entwickelt, begleitet die voestalpine bislang vor allem die US-Aktivitäten europäischer Automobilhersteller. Im größten und komplexesten Automobilkomponentenwerk des voestalpine-Konzerns in Nordamerika, in Cartersville, Georgia, USA, laufen aktuell gleichzeitig mehrere neue Anlagen hoch, was den Standort noch bis Sommer 2019 mit entsprechenden Anlaufkosten belastet.
Südamerika / Brasilien
Zwar befindet sich die brasilianische Wirtschaft insgesamt auf Erholungskurs, der aber nach vier Jahren Rezession bislang nur langsam in die Gänge kommt. Neben negativen politischen Schlagzeilen und einem mehrmonatigen Präsidentschaftswahlkampf wirken sich der gegenüber dem Real stärker werdende US-Dollar und steigende Zinsen im Dollarraum hemmend aus. Die brasilianische Währung war zudem von hoher Volatilität geprägt und auch die generell kritische Entwicklung in Südamerika, insbesondere in Argentinien und Venezuela, wirkte wenig unterstützend.
Entgegen diesem insgesamt nach wie vor kritischen makroökonomischen Umfeld zeigten die in den Bereichen Werkzeugstahl und Sonderwerkstoffe sowie am Spezialprofilsektor und im Bahninfrastrukturbereich tätigen brasilianischen voestalpine-Standorte eine sehr solide Entwicklung.
Asien / China
China, Hauptadressat der protektionistischen Handelspolitik der aktuellen US-Administration, leidet zunehmend unter deren Maßnahmen, wobei die veröffentlichten Wirtschaftsdaten unverändert robust erscheinen. Auf Befürchtungen über eine Eintrübung des Wachstums im Frühjahr 2018 hat die chinesische Zentralregierung umgehend mit Zinssenkungen und Stimulus-Maßnahmen reagiert, worauf nicht nur das wirtschaftliche Sentiment positiv reagierte, sondern auch wieder verstärkt investiert wurde. Die Exporte entwickelten sich vor allem infolge des Handelskonflikts mit den USA zuletzt dennoch rückläufig.
In diesem Umfeld profitierte die voestalpine im Bereich Eisenbahninfrastruktur vom Wiedererstarken der Infrastrukturinvestitionen, auf der anderen Seite zeigte der Markt für Werkzeugstähle aber klare Abschwächungstendenzen, nicht zuletzt zurückzuführen auf eine tendenziell abnehmende Dynamik im Automobilbereich.
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