Europa geht in den nächsten Monaten spannenden Zeiten entgegen: Vor allem stellt sich die Frage, ob es erstmals seit Jahren tatsächlich gelingt, den wirtschaftlichen Turnaround auf vergleichsweise breiter Basis zu schaffen. In Zahlen ausgedrückt würde das heißen, als Europäische Union wieder an eine Wachstumsquote von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts heranzukommen.
Dafür wird es allerdings einiger Voraussetzungen bedürfen: zum einen, dass es die „Krisenländer“ – realistischerweise mit Ausnahme Griechenlands – in der zweiten Jahreshälfte endgültig schaffen, ihre wirtschaftlichen Probleme in den Griff zu kriegen; die Chance dafür lebt nach schmerzvollen strukturellen Veränderungen in praktisch allen von ihnen. Zum anderen – inhaltlich eng damit verbunden – wird die wirtschaftliche Erholung auch erheblich davon abhängen, dass die in das „315-Milliarden-Euro-Paket“ der EU-Kommission gesetzten Erwartungen in Bezug auf breitflächige Investitionsanreize sich in den nächsten Monaten auch tatsächlich zu konkretisieren beginnen. Und schließlich wird das mittel- und langfristige europäische Wachstum auch stark vom Verhalten und der Positionierung der politischen Entscheidungsträger beim „Klimagipfel“ in Paris im kommenden Dezember abhängen.
Eines sollte in Paris allen europäischen Vertretern aber jedenfalls klar sein: Werden die im globalen Vergleich bereits heute herausragenden Klimaschutzanstrengungen der europäischen Industrie weiter bloß immer noch mehr pönalisiert und nicht honoriert – das heißt, sollte Europa glauben, den Weg der einseitigen Vorleistungen weitergehen zu müssen –, wird sich das Thema des industriellen Klimaschutzes am alten Kontinent von selbst binnen einer Generation marginalisieren, denn die Industrie wird sich dann Europa als Standort vor dem Hintergrund des globalen Kostendrucks einfach nicht mehr leisten können. Die Frage, was dies letztlich für die politische, soziale und gesellschaftliche Entwicklung der Europäischen Union, für Beschäftigung und Wirtschaftsentwicklung bedeutet, ist dann nicht mehr von den wirtschaftlichen, sondern den politischen Entscheidungsträgern zu beantworten. Dem Weltklima leistet man damit jedenfalls einen Bärendienst, denn nirgendwo sonst auf der Welt erfolgt industrielle Tätigkeit nach so strengen Grundsätzen des Umwelt- und Klimaschutzes wie in Europa.
Für den voestalpine-Konzern bildet die Entwicklung der europäischen Rahmenbedingungen in den Bereichen Umwelt, Klima und Energie jedenfalls ein zentrales Kriterium für die in den nächsten Jahren anstehenden, grundlegenden Investitionsentscheidungen.
Linz, 4. August 2015
Der Vorstand
Wolfgang Eder Robert Ottel |
Herbert Eibensteiner Franz Rotter |
Franz Kainersdorfer Peter Schwab |
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