Nach eineinhalb Jahren negativer Konjunkturerfahrungen – unterbrochen nur von einer kurzen Phase der Entspannung zu Jahresbeginn 2012 – mehren sich in den letzten Wochen die Stimmen, die von einer sich abzeichnenden konjunkturellen Trendwende sprechen. War das 4. Quartal 2012 noch von zurückhaltender Erwartung dominiert, kommen in letzter Zeit vor allem aus Politik und ökonomischen Think Tanks unter Hinweis auf eine wirtschaftliche Erholung Chinas und Fortschritte in der Bewältigung der europäischen Schuldenkrise verstärkt optimistische Töne. Faktum ist allerdings, dass die Nachhaltigkeit eines Aufschwungs in China genauso erst im weiteren Jahresverlauf beurteilt werden kann wie die Frage einer beginnenden Entspannung im europäischen Schuldendilemma. Darüber hinaus sollte nicht übersehen werden, dass aus wichtigen Wirtschaftsregionen wie Indien und Südamerika keine nennenswerten Wachstumsimpulse zu erwarten sind und – was noch schwerer wiegt – das „fiscal cliff-Problem“ der USA nach wie vor nicht dauerhaft gelöst ist.
Vor diesem Hintergrund scheint ein erster echter Schritt in Richtung einer globalen Konjunkturentspannung vor der 2. Jahreshälfte 2013 wenig wahrscheinlich. Kurzfristig könnte es allerdings in einzelnen Industriesegmenten aus lagerzyklischen Gründen zu einer gewissen Belebung der Nachfrage kommen.
In den wichtigsten Kundenbranchen zeichnet sich für die nächsten Monate überwiegend eine weiterhin eher verhaltene Bedarfsentwicklung ab, wobei es regional betrachtet durchaus zu erheblichen Unterschieden kommen kann: So wird die Bau- und Bauzulieferindustrie in Europa und den USA weiterhin überwiegend unter den Budgetrestriktionen der öffentlichen Hand leiden, wogegen sich in China bedingt durch die Konjunkturförderprogramme der neuen Regierung in diesem Segment ein Aufschwung abzeichnet. Ähnliches gilt für die Automobilindustrie, wo die Erwartungen für Europa stark zurückgenommen wurden; China und auch die USA sollten sich 2013 in diesem Bereich dagegen weiterhin als konjunkturstabil erweisen. Auf der Energieseite zeichnet sich im Jahresverlauf bei Öl und Gas weltweit eine Belebung der Projekttätigkeit ab, der übrige konventionelle Energiebereich dürfte sich hingegen auch in nächster Zeit auf eher mäßigem Niveau entwickeln; Ähnliches gilt für die Alternativenergie, welche vor allem unter der Kürzung von Subventionen in einer Reihe von Ländern leidet. Im Bereich der Konsumgüter- und Hausgeräteindustrie ebenso wie in der Elektroindustrie sollte es im Jahresverlauf 2013 zu einer gewissen Belebung kommen. Im Maschinenbau und in der Luftfahrt dürfte die vergleichsweise immer noch solide Entwicklung anhalten. Gleiches gilt in Bezug auf den für den voestalpine-Konzern wichtigen Sektor Eisenbahninfrastruktur, wo gewisse Schwächen in Europa durch eine anhaltend solide Entwicklung in allen übrigen Teilen der Welt kompensiert werden.
Im Licht dieser nach wie vor inhomogenen Entwicklung der einzelnen Branchen und Regionen erscheint es derzeit noch zu früh, von einer beginnenden Erholung der Weltwirtschaft zu sprechen. Allerdings deutet doch einiges darauf hin, dass der breite konjunkturelle Abwärtstrend der letzten Quartale mit dem Jahreswechsel 2012/13 zum Stillstand gekommen ist.
Für den voestalpine-Konzern zeichnet sich im letzten Quartal des Geschäftsjahres eine sehr ähnliche Entwicklung wie im unmittelbaren Vorquartal ab, wobei beide Quartale traditionell durch erhebliche saisonale Effekte geprägt sind. Im Einzelnen stellt sich die aktuelle Lage in den vier Divisionen wie folgt dar:
-
Metal Engineering Division: anhaltend sehr gute Entwicklung bei solider Nachfrage, Vollauslastung und weitgehend stabilem Preisniveau in allen Geschäftsbereichen
-
Metal Forming Division: Nachfrage und Preise seit Sommer 2012 zunehmend unter Druck, dennoch gute Auslastung sowohl bei tubes and sections als auch automotive body parts
-
Special Steel Division: etwas schwächere Bedarfssituation insbesondere in der EU bei weitgehend stabilem Preisniveau sowohl im Segment Tool Steel als auch bei Special Forgings
-
Steel Division: Vollauslastung bei Rohstahlerzeugung und Bandprodukten, gleichzeitig anhaltender Preisdruck in Europa und steigende Rohstoffpreise
Einmal mehr macht die aktuelle Entwicklung der voestalpine-Gruppe im Konkurrenzvergleich die Richtigkeit der strategischen Grundausrichtung der vergangenen zehn Jahre deutlich: Mit der Strategie „Weg vom klassischen Stahlunternehmen, hin zum spezialisierten Technologie- und Industriegüterkonzern mit langer Wertschöpfungskette und anspruchsvollen Nischenprodukten“ differenziert sich der Konzern gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten durch eine vergleichsweise stabile Ergebnisentwicklung auf nach wie vor attraktivem Niveau.
Trotz des anhaltend herausfordernden wirtschaftlichen Umfeldes bleibt der Vorstand auch aus heutiger Sicht für das Geschäftsjahr 2012/13 bei der schon anlässlich des Halbjahresberichtes dargelegten Ergebniserwartung, d. h. einem operativen Ergebnis (EBITDA) in einer Größenordnung von etwa 1,4 Mrd. EUR und einem Betriebsergebnis (EBIT) von rund 800 Mio. EUR, wobei sich die Voraussetzungen für ein Erreichen dieser Zielwerte in den letzten Monaten deutlich verschärft haben.