Online Geschäftsbericht   
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Wirtschaftliches Umfeld


Weltwirtschaftliche Entwicklung

Die Konjunkturentwicklung war zu Beginn des Geschäftsjahres 2009/10 infolge des globalen Wirtschaftseinbruchs im Herbst 2008 noch von einer tiefgreifenden Nachfrageschwäche in nahezu allen für den voestalpine-Konzern wichtigen Märkten und Branchen geprägt. Erst im Verlauf des Sommers 2009 begann sich der Abwärtstrend abzuschwächen und in einzelnen Abnehmersegmenten wurde eine erste Bodenbildung erkennbar.

Während die „emerging economies“ 2009 zwar auch rückläufige, aber immer noch positive Wachstumsraten erzielten, wies das globale Bruttoinlandsprodukt (BIP) unter dem Druck des Einbruchs in den „reifen“ Volkswirtschaften, im Speziellen den USA und Europa, eine schrumpfende Entwicklung aus.

Die einsetzende Erholung verlief in den einzelnen Wirtschaftsregionen hinsichtlich Ausmaß und Geschwindigkeit sehr unterschiedlich: War in den „emerging markets“ – allen voran China – die konjunkturelle Aufwärtsentwicklung ab dem Frühjahr 2009 durch eine rege Binnennachfrage, stabile Exporte, ein rasches Absenken der Lagerbestände und einen anhaltenden Kapitalzufluss in diesen Regionen getragen, so bedurfte es in den USA und Europa umfangreicher, in ihren Dimensionen bisher einzigartiger Stimulusprogramme der öffentlichen Hand, um über Investitionen im Bereich der Infrastruktur und branchenspezifische Konsumanreize (allen voran Neuwagenprämien) den Turnaround einzuleiten. Gegenüber den „emerging countries“ fiel der Aufschwung dennoch zeitlich stark verzögert und ungleich schwächer aus.

Wirkten sich in den USA vor allem der starke Anstieg der Arbeitslosigkeit und die zunehmende Sparquote nachteilig auf den privaten Konsum und damit den Aufschwung aus, so gilt in Europa in erster Linie die zunehmende Verschuldung einzelner Staaten als Haupthindernis für eine nachhaltige Erholung. In diesem Zusammenhang kam es auch zu einer deutlichen Abwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar, der im Herbst 2009 noch bei 1,50 USD notierte, aktuell aber um 15 bis 20 % darunterliegt. Die in den letzten Wochen hastig eingeleiteten Sparprogramme einiger europäischer Länder werden sicherlich zur Bewährungsprobe für den Aufschwung in Europa. Inwieweit diese durch eine verbesserte Exporttätigkeit als Folge der Euro-Abwertung abgefangen werden können, bleibt abzuwarten.

Entwicklung der wichtigsten Abnehmerbranchen

Ähnlich wie die einzelnen Wirtschaftsregionen stellen sich auch die Abnehmerbranchen in ihrer Entwicklung sehr unterschiedlich dar. Einzig das zumindest teilweise Wiederauffüllen der niedrigen Lagerbestände gilt weitgehend für alle Branchen. Dennoch ist die aktuelle Lagersituation trotz drohender rohstoffbedingter Preissteigerungen nicht durch Überstände geprägt, was offensichtlich auf ein nach wie vor forciertes Liquiditätsmanagement in vielen Unternehmen zurückzuführen ist.

In der Automobilindustrie liegt die Produktion mit rund 80 % zwar immer noch unter ihrem Vorkrisenniveau, dennoch war nach dem Klein- und Kompaktwagensegment – im Vorjahr primäre Nutznießer der staatlichen Anreizprämien – ab Herbst 2009 auch eine zunehmende Nachfrageerholung in der Mittel-, Ober- und Luxusklasse spürbar. Ein Trend der vergangenen Jahre hat sich im Zuge der Krisenerholung insofern umgekehrt, als sich der Automobilabsatz in Westeuropa deutlich besser erholt als in Osteuropa. Größter Treiber des globalen Aufschwungs in diesem Segment ist unverändert China. Ungleich schwerer von der Krise betroffen zeigte sich die Nutzfahrzeugindustrie, die aktuell bei etwa 40 % der Auslastung des Vorkrisenniveaus liegt und erst gegen Ende des Geschäftsjahres 2009/10 deutlichere Erholungstendenzen erkennen ließ.

Infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise sowie des Ölpreisverfalls kam es auch im „konventionellen“ Energiebereich zu umfangreichen Projektstillständen mit massiven Nachfrage- und Preiseinbrüchen. Erst im Frühjahr 2010 setzte hier eine zunehmende Erholung mit wieder steigenden Auftragseingängen und Preisen ein. Wesentlich besser stellte sich die Entwicklung hingegen im Bereich der erneuerbaren Energien (insbesondere Solar- und Windenergie) dar, die weltweit auch wesentlich von staatlichen Förderungsmaßnahmen getragen werden.

Im Bereich der Eisenbahninfrastruktur, die im 1. Halbjahr 2009/10 von einem noch guten Marktumfeld und einem hohen Auftragspolster profitieren konnte, war ab Herbst 2009 neben vermehrten Projektverschiebungen – als Folge zunehmend geringerer budgetärer Handlungsspielräume, vor allem osteuropäischer Staaten – auch eine deutliche Verschärfung des Wettbewerbs verbunden mit einem erheblichen Preisverfall bei Neuausschreibungen zu verzeichnen.

Weitgehend unspektakulär, aber auf durchaus zufriedenstellendem Niveau, verläuft die Entwicklung der Hausgeräte- und Konsumgüterindustrie, wohingegen sich die Nachfrage aus der Bau- und Bauzulieferindustrie sowie der Flugzeugindustrie unverändert schleppend darstellt. Seit Jahresbeginn 2010 erstmals wieder steigende Tendenz zeigt der Maschinenbau.

Entwicklung der Stahlindustrie

Die globale Wirtschafts- und Finanzkrise führte 2009 zu einem weltweiten – jedoch nicht alle Wirtschaftsräume betreffenden – Rückgang der Stahlproduktion um 8,2 % von 1,33 Mrd. Tonnen auf 1,22 Mrd. Tonnen. Während China den Ausstoß sogar nochmals um 13,5 % von 500,3 Mio. Tonnen auf 567,8 Mio. Tonnen und damit auf ein neues Rekordhoch steigern konnte, d. h. nunmehr für nahezu die Hälfte der weltweiten Stahlproduktion verantwortlich ist, wurden vor allem in Europa (–29,7 %) und den USA (–36,4 %) als Reaktion auf den massiven Nachfrageeinbruch in allen Kundensegmenten drastische Produktionskürzungen vorgenommen.

Diese rasch und breitflächig durchgeführten Maßnahmen in Form von vorübergehenden Hochofenstilllegungen bzw. reduzierten Fahrensweisen führten in der europäischen Stahlindustrie (EU-27) allein zwischen Oktober und Dezember 2008 zu einem Produktionsrückgang um nahezu 50 %. Auf diesem reduzierten Niveau blieb die Produktion bis in den Spätsommer 2009.

Erst die im September 2009 einsetzende Nachfrageerholung in wichtigen Abnehmersegmenten, allen voran der Automobilindustrie, führte auch zu einer deutlichen Erhöhung der europäischen Rohstahlproduktion von 31,5 Mio. Tonnen (1. Quartal des voestalpine-Geschäftsjahres 2009/10) auf 40,8 Mio. Tonnen (3. Quartal 2009/10). Diese rasche Wiederinbetriebnahme der temporär stillgelegten Kapazitäten hatte jedoch im Kurzfristgeschäft gegen Ende des Jahres 2009 einen wieder zunehmenden Preiswettbewerb zur Folge, der auf Grund der sich abzeichnenden massiven Rohstoffkostensteigerungen ab dem Frühjahr 2010 allerdings nur von kurzer Dauer war.

Im letzten Quartal des Geschäftsjahres 2009/10 wurden in Europa nahezu alle zwischenzeitlich stillgelegten Hochöfen wieder in Betrieb genommen und die Auslastung auf rund 85 % des Vorkrisenniveaus gesteigert. Die Stahlstandorte des voestalpine-Konzerns verzeichneten im Geschäftsjahr 2009/10 eine deutlich bessere Auslastung als der europäische Branchendurchschnitt.